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der verfinstert und verdorben war und wollen das Evangelium predigen und den Leuten helfen, darum auch scharf sein und Salz in die Wunden reiben.“ Betet doch alle um rechte Geistliche!

 Die Not der Zeit, ihre Dürftigkeit bei allem Glanz, die verwaisten Kinder, die verlorenen Mütter, die heimatlosen und die heimatfernen Wanderer auf der Straße, die Siechen und die Kranken, die Blöden und die Blinden rufen nach Hilfe. „Wenn du einem armen Mann zu seiner Nahrung hilfst mit einem Gulden, tust du mehr, denn daß du allen Heiligen eine goldne Kirche bauest!“ Welchen Segen haben durch sechzig Jahre unsre beiden bayerischen Diakonissenhäuser über Bayern gebracht, große ethische Werte, sagte ein Arzt am Grabe D. Boeckhs, der Selbstlosigkeit, der Dienstwilligkeit, des Opferlebens. Vor vierzig Jahren lagen die Blöden an Ketten, waren in elende Ställe eingesperrt, menschenunwürdig behandelt, herumgestoßen und verachtet. Die Krankenpflege lag zumeist in den Händen besoldeter Pfleger und Wärterinnen, deren Gedeihen im umgekehrten Verhältnis zu dem der Patienten stund. Die Spitalsuppe war ja sprichwörtlich und der alte Abraham a Sankta Klara vom Augustiner-Barfüßerorden († 1709) wünschte jeder Jungfrau, sie müsse einer Spitalsuppe gleichen, die „nicht viel Augen habe“. – Die Diakonie ist alles Dankes wert; sie zu fördern, ihr Haus und Obdach zu erweitern und zu bieten, nicht wohlfeile Vergleiche zwischen dem einen und dem andern „Hause“, noch mehr zwischen ihnen und den kathol. Pflegeorden anzustellen – ist Ehre der Kirche. So viele Jungfrauen stehen müßig am Markte auch noch zu einer Zeit, wo es geraten wäre, den Markt zu verlassen, warten auf Dinge, die nicht kommen wollen und die wirklich kommen, wollen sie nicht. Unsre Diakonissenhäuser bitten um kraftvollen, kernhaften Ersatz, wenn nun die alten und müden Diakonissen zur Ruhe sich rüsten. Aber selten kommen aus den sog. gebildeten Kreisen Jungfrauen, sintemal es gebildeter ist, Kritik zu üben und sich dienen zu lassen als selbst Hand anzulegen. Die protestantische Gemeinde Ansbach hält das Amt des Wortes und den Dienst der Barmherzigkeit noch in Ehren. So darf man hoffen, daß es der Diakonie hierorts nicht fehlen werde, wenn sie ihre Zelte weiter steckt, wie sie soll und will.

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Hermann von Bezzel: Pflichten in ernster Zeit. Carl Junges Buchhandlung, Ansbach 1914, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Pflichten_in_ernster_Zeit.pdf/14&oldid=- (Version vom 8.8.2016)