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in ihrer ganzen Verfaßtheits von der heiligen christlichen Kirche sich lossagen und einem Ich- und Gemeindechristus in bewußter und gepriesener Willkürlichkeit dienen wollte. Ich persönlich bin der guten Zuversicht, daß das Gottgemäße in der schmerzlich empfundenen Bewegung, mit welchem Namen sie genannt werden mag, Segen bringen und das Unrecht an ihr nicht siegen wird. Unsere bayerische Landeskirche hat eine Geschichte der Tränen hinter sich und in sich. Wie viele Salzburger Emigranten sie bevölkern, hat Pfarrer Clauß-Schwabach in vorzüglicher Genauigkeit nachgewiesen. Unsere Diaspora in Unterfranken weiß von Julius Echter von Mespelbrunn, die in der Oberpfalz von Wolf von Neuburg und dem Pater Yselin zu erzählen, sie hat sich durch manche Not hindurchgerungen und wird, wenn sie Jesum bekennt, von ihm auch fernerhin nicht vergessen werden. Ihr Leid ist ihre Kraft. Wenn sie aber die Treue vergäße, würde sie vielleicht, ja zweifellos geistreichere, vielseitigere, gewandtere, viel mehr gefeierte Persönlichkeiten an „leitender Stellung“ haben, wie man zu sagen liebt, aber sie wäre doch innerlich verarmt. – Wenn aber eine Landeskirche zerfällt, fällt die Kirche Christi noch lange nicht, denn sie ist feuerfest, gegen Verwundung und Versehrung gefeit. Sie ist übergeschichtlich, aus der Ewigkeit gegründet, für die Ewigkeit bestimmt, sie ist trotz aller Zwistigkeiten eins in Anfang und Ziel, im Heilsgut und Heilshoffnung, trotz der Erdenmängel, die ihr, der in die Welt eingeführten, anhangen und nachgehen, heilig, weil stets zur Buße bereit und stets zur Heiligung geschickt. Sie verlassen heißt sich um das Glück des Lebens bringen, sie verachten ist größte Torheit, denn sie ist die größte, ja die einzige Kulturmacht. Ein Volk, das der Kirche sich entzieht, hört auf, ein Kulturvolk zu sein. Der Blick in die Geschichte kann es lehren. Wenn Gott stirbt, kommen die Gespenster. Auf 1792 und die Absetzung Gottes in Paris folgte die Tyrannei Napoleons I. Und Friedrich d. Gr. sagte mit Grund: „Wenn ein Volk nicht mehr Religion haben wird, dann steht nichts mehr fest. Darum schaffe man Religion ins Land, sonst holt uns alle der Teufel.“ Die Massenaustritte, wie Berlin sie sah, wie sie von unreifen, unkirchlichen Gemeinden gedroht werden, da für Tanzbelustigungen, Kirchweihen, Schützen- und

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Hermann von Bezzel: Pflichten in ernster Zeit. Carl Junges Buchhandlung, Ansbach 1914, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Pflichten_in_ernster_Zeit.pdf/12&oldid=- (Version vom 8.8.2016)