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Mission nicht diese oder jene einzelne Arbeit, sondern „die gesamte Arbeit der aus dem Glauben an Christum geborenen Liebe ist, welche die Massen in der Christenheit innerlich und äußerlich erneuern will“ (Wichern: Prinzipielles zur Inneren Mission, Bd. III, S. 268) so trifft diese Erklärung überall da, wo sie arbeitet und umschreibt ihr Recht jeglichen Orts.

 So muß noch ein besonderes Moment sein, das für unser Bayernland und die evangelische Kirche in ihr einen Pflichttitel bezeichnet.

 Dieser Einzelmoment liegt in der Geschichte der Inneren Mission bezeichnet, die sie in unserer Landeskirche erlebt hat, ehe sie noch das organische Gebilde war und nachdem sie es geworden ist. So gewiß keine deutsche Landeskirche aus so vielen kleinen Gemeinden zusammengesetzt ist wie die Kirche diesseits des Rheins – ich erinnere nur an Unterfranken mit seinen Reichsstädten, Reichsdörfern, bischöflichen und standesherrlichen, markgräflichen und klösterlichen Gebieten, ungefähr 20 – so gewiß gehen durch diese Einzelgebiete und Ordnungen – man denke an die erste reformatorische Armenordnung der Stadt Augsburg von 1522, der Stadt Nürnberg von 1525, an die Waisenhausordnungen von Regensburg und Lindau, – durch die Krankenordnungen von Rothenburg und wieder von Regensburg, auch die Ordnung für Einzelerziehung der Kinder (Fürsorge in Familien), wie sie die Stadt Memmingen 1782 nach dem Vorgange von Kopenhagen und Gotha traf, durch die Christentumsgesellschaft in Augsburg und Nürnberg – wahrhaft maßgebende Gedanken der Inneren Mission, wert, neu gelesen und gelebt zu werden. Alle Probleme der Jetztzeit, auf Subjekt wie Objekt der Inneren Mission gesehen, finden dort tiefgrabende Beachtung. Die Bedeutung der Einzelpersönlichkeit, die Verbindung von Freiheit und Ordnung, von Weitschaft und Enge, die Arbeitsgelegenheit, deren Benützung und Entlohnung, die Grundfragen der Erziehung, all dies wird vor dem geschlossenen und bestimmten Bilde christlicher evangelischer Weltanschauung gewürdigt. Wie ins einzelne sich ein Lebewesen verästelt und verädert, so wird ohne doch in Kleinlichkeiten zu geraten, in der Armen- und Krankenordnung jede Speisezutat, jedes Reichnis bestimmt, in den Hausordnungen Lektüre, Spiel, Unterhaltung geregelt. Es ist ehrenfeste Genauigkeit, die Instruktionen großen Stils gibt, nicht Ketten um den Fuß, sondern Stäbe in die Hand.

 Aber bedeutsamer als diese Erinnerungen an Ordnungen und Gesetze, hinter denen freilich Persönlichkeiten stehen, leuchten in das 19. Jahrhundert hinein, in das 20. hinüber edle und erlauchte Namen, deren lichte und milde Klarheit, wie Bengel einmal zu Römer 16 sagt, als „Sterne am Himmel der Ewigkeit“ glänzen. Mit dem Kaufmann Tobias Kießling, der, ein rechter Kaufmann, köstliche Perlen der heiligen Schrift einhandelte und verschenkte,