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die kann haben, wer da will, aber meinen Glauben taste mir niemand an, den hat mir mein Herr Christus geschenkt.“ In dieser Heilsunmittelbarkeit des neugewonnenen Lebens, in dieser Ernstlichkeit einer ganz für ein großes reiches Ideal sich aufopfernden Lebenszeit hat Luther alles Große, Schöne, Reiche, das die Welt bietet, benützt. Augustins Reformation ist weltflüchtig, Luthers Reformation ist Weltbeherrschung. Augustin zieht sich von der Herrlichkeit afrikanischer Sonnenfreude zurück in die Einsamkeit, Luther geht hinaus und freut sich an der wonniglich duftenden Gottesnatur; ihm ruft der Frühling von der treuen Liebe seines Herrn, ihm bezeugt der Sommer ewige Gnadenbündnisse seines Gottes, und wenn der Herbst wieder kommt, freut er sich, daß die Erde voll der Gottesgüte ist; das kleinste Resedablümlein, das vor dem einsamen Fenster des Wittenberger Professors blüht, ist ihm wie eine Anwartschaft auf den großen, leuchtenden, glänzenden Gottesgarten, da alle Blüten eine ewige Herrlichkeit preisen und alle Herrlichkeit ewigen Frühling verbürgt. Luther hört all die Klänge, alle die Harmonie der Seele, von der ein Plato träumte und ein Aristoteles sann, durch diese Welt klingen, im tiefsten Grund die Dominante: „Allein Gott in der Höh sei Ehr!“, und wenn es so durch die Natur klingt, zwar nur ihren Freunden verlautbar und deutlich, dann greift er in die Saiten und singt seinem Herrgott ein Liedlein: „denn der Teufel ist ein trübsinniger Feind, er kann die Freude nimmer leiden.“

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 Und wie hat er die Wissenschaft hochgeehrt! Augustin hat ein Buch geschrieben, den Gottesstaat, das Lieblingsbuch Karls des Großen, aus dem er sich täglich vorlesen ließ, und der alte Abt von Herrieden, Decker,

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Hermann von Bezzel: Luther und Augustin. Verlag der Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1912, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Luther_und_Augustin.pdf/15&oldid=- (Version vom 9.10.2016)