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verloren; dieses Geschlecht wirft der Wind um, wenn er von Süden kommt, und erkältet der Sturm, der aus dem Norden sich anhebt, dieses Geschlecht wird für unser Volk eine Last und für unsre Kirche eine Bürde. Augustin und sein Leben: eine Kette von Genüssen, bei denen er vor Begierden verschmachtet, eine Kette von Begierden, die zum Genuß trieben; und dort der Jüngling, der von sich sagen kann: „Ist je ein Mönch durch seine Möncherei in den Himmel gekommen, so wäre sicherlich ich’s gewesen.“ Alle die großen speculatores Lutheri, diese Kundschafter, welche hinter Luther dreinlaufen, um sein Leben aufzuspüren und seine Sitten nachzuprüfen, froh, wenn sie einen Flecken entdecken, und sehr freudig, wenn sie einen dazu erfinden können, sind nicht geeignet und geschickt genug, das Bild des jungen Luther zu verzeichnen, der da seinen Willen heiligte, seine Einbildungskraft nicht zur Schwäche degenerieren ließ und seinen Leib in Zucht und Ehren bewahrte. Beide, Luther und Augustin. Opfer des väterlichen Ehrgeizes. „Als mein Vater Patrizius merkte, wie leicht ich lernte und meinem Lehrer daß Wort ex ore heraus nahm, beschloß er mich zu einem Rhetor zu machen. Er wollte sich an meinen Redekünsten erquicken,“ und darum ist Augustin von Hochschule zu Hochschule geeilt, hat den alten Hortensius und Quintilian an sich genommen, damit er das Reden, die schöne Rede lernen könnte, und wo berühmte Advokaten sich zeigten, da eilte er hin, damit er wohl merke, wie man eine schwächere Sache durch schöne Worte zur starken machen könne, und wenn ein begeisternder Prediger zu hören war, saß Augustin zu seinen Füßen, nicht damit er den Inhalt der Predigt auf sich wirken ließe, sondern damit die Kunst der Rede

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Hermann von Bezzel: Luther und Augustin. Verlag der Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1912, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Luther_und_Augustin.pdf/10&oldid=- (Version vom 9.10.2016)