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Herr die Geister heiligt, will sie Charaktere schaffen, in denen Er Gestalt gewinnt und deren Herz je fester wird, je mehr Er es rührt.

 Weil sie das Leid nicht als etwas Seinmüssendes betrachtet, wie es der tatenträge Pessimismus tut noch als etwas nur Scheinbares verdeckt, wie es der weltselige Eudämonismus liebt, weist sie oft auf die Zeit hinaus, wo das Unharmonische ausgetan und die Mißklänge in Preis und Dank aufgelöst sein werden. Ihr Ziel ist auf die Erde besehen Erweckung des Heimwehs, das der Arbeit nicht abträglich, sondern fördersam ist, auf das wahre Leben gesehen, die Heimat, da Menschentum und Gottesart in Christo verklärt die Menschheit verklären will. In die Zeit gestellt, die Erde ißt ihr Leben lang und an ihren Göttern stirbt, ruft die Innere Mission zu wahren Gütern und heißt das Streben nach ihr Lebenswert und Lebenskraft.

 Aeternitati! Diesem Ziel führt die Liebe ein sehnsuchtsvolles Geschlecht zu, das doch nur in dem Gott Ruhe findet, den es flieht, denn ohne Ihn stirbt es an bitterstem Weh. Und so will die Innere Mission nichts Größeres, als daß sie hinter ihrem Herrn zurücktreten und vor Ihm verschwinden dürfte.

 Der Utopie, Armut und Gebreste einmal verschwunden zu sehen, mag Bellamis Traumbuch dienen und der Zukunftsstaat seine Existenz weiterhin verdanken. Wir wissen, daß wir allzeit Arme bei uns haben und wir nennen sie noch jetzt Schätze der Kirche, wie Luther in These 59 ff. nach St. Laurentius tat. – Indem die Innere Mission diese Armen pflegt, tut sie das beste an ihren Seelen: Seht, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt, erträgt, wegträgt, daß man ihrer in Ewigkeit nimmer gedenken noch sie zu Herzen nehmen soll. An Seinem Tage aber will Er selbst nochmals mit allem Leid feierlich Sich vermählen, indem Er Sein majestätisches Ich zu allem Weh der Krankheit und Verlassenheit, der Armut und Einsamkeit, der Gebundenheit und Wegfahrt barmherzig stellt und die über die Maße für ungekannte und unbeabsichtigte Liebestat bedankte Christenheit dahin aufklärt, das geringste Liebeswerk adle der Liebeswille und der dem ärmsten Bruder geschehene Dienst sei Ihm widerfahren.

 Verehrte Anwesende, werte Brüder im Amt! Es gehört jetzt zum guten Tone des sermo communis Christianus, über Niedergang und Abfall zu reden und mit ihm von Trägheit und Träumerei sich zu absolvieren.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Grund, Kraft und Ziel der Inneren Mission. Buchhandlung der Diakonissenanstalt Neuendettelsau, Neuendettelsau ca. 1914, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Grund,_Kraft_und_Ziel_der_Inneren_Mission.pdf/23&oldid=- (Version vom 24.10.2016)