Seite:Hermann von Bezzel - Grund, Kraft und Ziel der Inneren Mission.pdf/16

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

 Die Kraft des Zeugnisses und seiner Prüfung und Erforschung, ob es auf wahrem Wege gehe, schlecht und recht, lauter und rein sei, befähigt die Innere Mission zur Leistung, der die alles vergiftende Scheidung von Klein und Groß entschwindet und entfällt. Seit Einer das Senfkorn gepriesen hat, so klein es ist, weil es so Großes in sich birgt und aus sich gibt und die kleine Herde als Besitzerin des Reiches genannt hat, ja seit Er das Kleinste anzunehmen sich nicht weigerte, um in der geringsten Zeit, am verachteten Ort, mit ärmsten Mitteln Größtes zu vollbringen, wiederum seit Er allen Größen von Welt und Zeit, allen Massen und Mengen zum Trotz das Unscheinbare als „Gewand und Hoffarbe“ seines Reichs belobt hat, ist der menschlich armen, der satanisch furchtbaren Scheidung und Unterscheidung zwischen Kleinheiten und Größen das Urteil gesprochen. In minimis Deus maximus hat der selige Professor Wiegand über den botanischen Garten zu Marburg geschrieben. Die Innere Mission will nichts Großes, sondern etwas Ganzes, nichts Bedeutendes, aber etwas Echtes, nichts Merkwürdiges, aber etwas Unvergeßliches. Darum geht sie, wie Löhe in anderem Zusammenhang sagt, die Füße im Staube, den Blick zur Höhe gerichtet und bringt über alles und vor allem, aber auch in allem das Wort ihres Gottes mit den Heilkräften, die vom Geiste her Buchstaben und Laut durchdringen, sie bringt nicht Theorien über das Wort, über Inspiration und Authentie, über Fehllosigkeit und Irrtumsmöglichkeit, sondern sie bringt es als beste Gabe, vom Dank der Jahrhunderte bereichert und beglänzt, die im Elend vergangen wären, wenn das Wort nicht ihr Trost gewesen wäre, vom Lobpreise Sterbender, die leben, umkränzt, vom Freudenruhm der Getrösteten umklungen, sie bringt das Wort unter das Volk, den frischen Trunk in gebrechlichen, in irdischen Gefäßen. Es ist ja ein geringer Dienst, zudem nur in bewußter und gewollter Abhängigkeit von dem berufenen und verordneten Amte des Wortes geschehend.

.

 In welcher Weise das Wort an die Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts kommen soll? Jeder habe seine Weise und niemand eine ihm fremde, jeder gebe das Wort, wie es sich ihm zu erfahren gegeben hat: denn wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. Dieser Geist aber (Eph. 3, 10) ist nicht der Geist der alleinseligmachenden Schablone, der feststehenden, weil einmal für immer erprobten Technik und Treffsicherheit, sondern der Herr der sophia polypoikilos, die nicht nur die

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Grund, Kraft und Ziel der Inneren Mission. Buchhandlung der Diakonissenanstalt Neuendettelsau, Neuendettelsau ca. 1914, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Grund,_Kraft_und_Ziel_der_Inneren_Mission.pdf/16&oldid=- (Version vom 24.10.2016)