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der alles vergottet, auch Sünde und Schuld ihres Charakters entkleidet und von beidem erlöst, indem er beides leugnet, der Tod und Verwesung mit Rosen schmückt, – als ob der Tod nicht unter Blumen bleiben könnte, dem Monismus gegenüber, der schließlich Anregendes und Bewegtes, Kraft und Stoff auf Eines zurückführt, gegen den Materialismus, der alles in Stofflichem untergehen und die höchsten wie die niedersten Gedanken rein physiologischen Prozessen sich verdanken läßt, aber auch gegenüber dem kühlen Deismus, der das Gebet nicht als innere Naturnotwendigkeit des Christenstandes gelten, sondern als wohlanständige Dekoration des geordneten Seins gewähren läßt, zeugt in unserer zerrissenen, an Abgründen wandelnden Zeit die Innere Mission das immer wieder hervorquellende Leben auf. Wir leben, soviel wir lieben. So ist die Innere Mission in ihrem Bestande lebhafte und unwiderlegbare Apologie. Nietzsche verwirft das Mitleid als Kretinismus, wie Aristoteles die Demut eine Hundetugend nannte, aber in der verwaisten Welt, über die der Übermensch hohnvoll, der Herdenmensch leidvoll schreitet, trocknet doch nur die innerste Mission der Liebe Tränen, heilt Trauer, hebt und wendet das Leid, weil sie Wurzel und Wesen des Schmerzes, aber auch seine Heilmittel kennt. Wenn die Innere Mission ihre Kraft in der Apologie der Tat bekundet, welche den Christenglauben nicht als versteinertes Dogma noch als verpflichtetes Gefühl sondern als Brunnen des Lebens erscheinen läßt, so ist eine weitere Kraft an und in ihr die Selbstkorrektur.

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 Jede geistige Bewegung hat so weit Lebensrecht, aber auch Lebenskraft, – denn im Rechte liegt die Kraft geborgen, wenn auch nicht in der Kraft das Recht, – als sie die Fähigkeit der Selbstkorrektur besitzt, welche die heilige Schrift die Einkehr in sich zum Behufe der Umkehr von sich und der Rückkehr zu Gott, die Gabe der prinzipiellen und thetischen Umdenkung nennt. Die Innere Mission hat durch böse Gerüchte gehen müssen, – noch gellt das Hohnwort nach: die Hälfte Fuchs, die Hälfte Luchs, dazu ein wenig Zucker, das Ganze ist – der Mucker; man hat ihre Größen gescholten und verurteilt. – Dann ist sie durch viele gute Gerüchte durchgegangen. Die Kriegsjahre 1864, 1866, 1870/71 haben mit ehernem Mund ihr Lob verkündet, die Revolution mußte ihre Ehre bezeugen und die Epidemien ihre Tüchtigkeit erweisen. Zu dem finstern Teufel zur Linken, das ist alles, was uns wehe tut, kam,

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Grund, Kraft und Ziel der Inneren Mission. Buchhandlung der Diakonissenanstalt Neuendettelsau, Neuendettelsau ca. 1914, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Grund,_Kraft_und_Ziel_der_Inneren_Mission.pdf/14&oldid=- (Version vom 24.10.2016)