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gehen soll, wenn nicht die Kirche in einen großen weiten Schauplatz von Leid und Kampf sich verwandeln will. Welche Segensquellen von den tiefgründigen, kernhaften Glaubensleben des Landvolks ausgehen können, weiß, der an diesen Quellen trotz aller schwerer Mißerfahrung dankend steht. Auf dem stillen Gottesacker zu Frankenheim, zu Füßen des stolzen Schlosses der Fürsten von Hohenlohe, schläft Maria Hörner, eine der bedeutendsten Persönlichkeiten, die ich kannte († 5. Aug. 1898), voll Geistes und der Gabe, das rasch Erkannte mit dem treffendsten Worte zu bezeichnen. Ohne liebenswürdig zu sein war sie anziehend für alle, die ein scharfes Wort ertragen konnten, das aus der Begierde zu besseren geboren war. Jugendgespielin des Reichskanzlers Chlodwig Hohenlohe und seines Bruders Gustav, des Kardinals, ward sie von den Fürsten besucht und geehrt, von der edlen Prinzessin Elise als Freundin geschätzt und hat diese Ehre mit feinem Takte getragen. Sie ist fast nie aus ihrem Heimatsdorfe herausgekommen, hat ihm aber durch fast fünfzig Jahre in Wort und Wandel gedient, eine Diakonisse nach Löhes Herzen, der zur Gründung des Mutterhauses mehr genötigt als innerlich gewonnen war und es lieber gesehen hätte, wenn die von ihm ausgebildeten Jungfrauen wieder in die Heimat zurückgekehrt wären, statt daß auf dem Lande der Raubbau einsetzte, der ihm seine besten Kräfte entzog, die selten erstattet wurden. – Und wieder gedenke ich des Abends am Pfingstmontag (8. Juni 1908), wo ich an dem Sterbebette einer jungen Diakonisse stand, Susanne Steinbauer aus Schlauersbach. Die innere Feinheit des frühe gereiften Christenstandes ließ sie, die Sterbende, der schwerkranken Mutter treueste Dienste tun und das eigne Leid über dem fremden ganz vergessen, der Mutter ins Grab sehen und ruhig den Gedanken an das eigene, nahe erwägen. Mit der schlichtenden Gabe begabt hat sie in schwierigen Verhältnissen das Rechte zu finden gewußt und gezeigt, wie nur die geeignete Persönlichkeit kommen muß, um Dinge zu entwirren und Aufgaben zu lösen, die vergeblich viel Mühe verursacht hatten. Die bedeutendste Persönlichkeit aus dem Bauernstande, aus Neuendettelsau selbst gebürtig, war Schwester Margarete Herbst († 27. April 1900). Sie hat nur die Dorfschule ihrer Heimat durchlaufen,

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Hermann von Bezzel: Frauengestalten aus der Landeskirche. Verlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission, Nürnberg 1912, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Frauengestalten_aus_der_Landeskirche.pdf/9&oldid=- (Version vom 8.9.2016)