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habe, sondern dazu sei sie berufen, daß sie ihr gewichtiges Wort, auch wenn es nicht vom Verständnis der Lage beeinflußt ist, in die Wagschale werfe und den ganzen Nachdruck einer schrankenlosen Ichauslebung in die große Bewegung hineindränge.

 Wir, verehrte Anwesende, haben den gestrigen Sonntag, so hoffe ich, anders durchlebt. Wir haben ihn als einen Sonntag in der Passion unseres Herrn Jesus Christus gefeiert, in der er von seiner heiligen Krone eine Perle unvergänglichen Glanzes und unverlierbarer Schöne dem weiblichen Geschlecht verehrte und gab, da er zur Armen, die ihre Salbe weinend zu Seinen Füßen ausgoß, das ebenso ermutigende wie tröstende Wort sprach: Sie hat getan, was sie konnte, und jede ehrliche Christustat, jedes ernste Gottesopfer benedeite und adelte als ein Werk, das die Zeiten überdauert. Wahrlich, wo dieses Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch sagen, was sie zu seinem Gedächtnis getan hat. Was ist das für eine wundersame Perspektive in die Entwicklung der Geschichte des Frauenlebens und Frauenwirkens, daß der alle Weltgeschichte überschauende König und Meister für die unscheinbarste Tat Unsterblichkeit des wahren Nachruhms sicherte und der armen Opferarbeit des Weibes eine Bedeutung zumaß und zuerkannte, die weit über die Gründung von Weltreichen und über die Erringung von Weltsiegen hinausreicht.

 Wenn Er vom Kreuze her die Männerwelt einsetzte, daß sie Stärke und Stütze, daß sie der aufrichtende Stab für alle Frauenbewegung sei, wenn Er uns Männern die Aufgabe zuerkennt, daß wir in Behauptung unseres Rechtes und unserer Arbeit sie schützen und stützen und uns wiederum das Größte geben lassen: Trost, Milderung der Gegensätze, freundliche Zusprache, wenn er der Frau wie jenen Johannes der Maria alle Verwaisten und Trostarmen zu treuem Herzen befiehlt – wo ist größere Frauenarbeit und wo je ein seligeres Frauenwerk angewiesen und genannt?

 Es sind, verehrte Anwesende, keine abgebrauchten Werte und keine nutzlosen Worte, die der König der Wahrheit in eine fragende, suchende und nach Lösung von Aufgaben verlangende Welt hineingelegt hat. Erst von dem Tag an müßten wir nach anderen Werten suchen, wenn die großen köstlichen Perlen aus dem Diadem unseres gebenedeiten Herrn ihren Glanz verloren hätten und der von ihm dargebotene und verliehene Reichtum seines Wertes entkleidet wäre!

 Darum möchte ich für die schwere Zeit, in der wir stehen, als erste Aufgabe darzubieten mir gestatten, nicht als eigene Erfindung, davor behüte mich Gott, sondern als ein Herrengebot und im Vollzug desselben:

WOLLEN SIE DAS WORT JESU BEWAHREN!