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ist Schwachheit, und wer nicht über alles und noch etliches mehr reden kann, gleichviel ob er’s versteht oder nicht und mit flachem Räsonement nachplaudert, was an Schlagwörtern und fertigen Urteilen wie Etiketten zu beliebigem Gebrauche ausliegt, ist ungewandt und mutlos, nimmt nicht das Leben mit seinen Gelegenheiten wahr und wird billig von ihm zur Seite geschleudert. Wer vollends langsam und bedächtig etwas lernen will und schweigt, wenn und weil Erfahrene reden, ist ungebildet und unbeholfen. Der zungenfertige Geck beherrscht die Situation und das Mädchen, dem die Röte lautrer Scham abgeht, ist zeitgemäß und versteht ihre Zeit. –

 In dieses lose und leere Gerede der Aufklärer, welche ihr Jugendideal zum gemeingültigen machen wollen, tönt klar und rein das Wort der unbeugsamen, über Zeit und Zeitmeinung, Mode und Modetorheit hoch erhabenen und weithin herrschenden Wahrhaftigkeit:

Ihr sollt heilig sein.

Und dem Christuswort gibt das Dichterwort Bescheid:

Heilig ist die Jugendzeit. –
Edler Geist des Ernstes soll
Sich in Jugendseelen senken,

denn nicht mit den ausgemergelten, greisenhaften Lemuren, wie sie Jean Paul in der Neujahrsnacht eines Unglücklichen uns schildert, werden Volk und Land geziert und geschirmt, sondern mit Jünglingen und Jungfrauen, welche den Mut haben, Christi zu sein.

 Der gegenwärtige Krieg wäre für unser Volk, so reich begütert und so erfindsam es ist, von Führern gottbegnadeter Weisheit geleitet und beraten, mit auserlesener Rüstung bewehrt, – verhängnisvoll, wenn nicht der Geist der Zucht

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Hermann von Bezzel: Erziehungsfragen. Müller & Fröhlich, München 1917, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Erziehungsfragen.pdf/27&oldid=- (Version vom 9.9.2016)