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sein und arm zu bleiben mit dem Freund der Armen. Ich habe wiederholt darauf hingewiesen und säume nicht, es auch jetzt zu betonen, die Diakonissensache steht auf einer Höhe, die sie viel zu rasch erstieg, als daß sie ganz echt sein könnte. Seit dem letzten Krieg hat sie in Anerkennungen sich gesonnt, die sie manchmal über die große Frage sich und andere hinwegtäuschen ließ: Suchen wir alle Jesu Ehre? Die Zeiten gehen nun schnell zu einer Katastrophe, ich sage nicht zur letzten, ich sage nur zu einer. Die Entwicklung der Dinge drängt allenthalben auf Gründlichkeit und Kompromisse sind nur insoweit erlaubt, als man sich gegenseitig gelobt, nach Gründlichkeit zu suchen. Es werden einige den Grund suchen und da finden, wo er allein liegt, in dem ewigen Erbarmen Jesu Christi am Kreuz. Es werden die andern den Grund suchen und werden ihn in ihrer Persönlichkeit und deren Auslegung finden. Dann braucht man die Gegensätze weder zu suchen, noch zu verneinen, dann haben sich die Trennungen ergeben und dann ist ein ehrlicher Streit wahrlich besser als ein Friede, bei dem beide Teile nur verlieren. Wenn nun diese große Katastrophe kommen wird, die vielleicht – ich weiß nicht, was Gott der Herr noch als sogenannte Zwischenelemente hereinschieben wird, – in den nächsten 20 Jahren sich vollziehen wird, kann eine Massenauswanderung aus den Diakonissenhäusern statthaben. Man wird wohl sehen, daß es nicht die Kraft der Sonne war, die anzog, sondern ihr Glanz, und daß es nicht die Hauptsache war, die warb, sondern daß das klare Bekenntnis zu Christus in Kauf genommen wurde gegenüber dem vielen, was man anderweitig zu gewinnen trachtete und hoffte. Es wird aber auch die große, selige, frohe Zeit anbrechen, in der ein Mensch auf alle Lebensbedingungen verzichten kann, wenn ihm nur Jesus sein Ein und Alles geworden ist. Da wird man eben die Arbeit an und mit den Geringen hoch preisen und es lernen, daß der Kirche Aufgabe ist, Arme wieder an sich glauben zu lassen und den Fund verkommener Seelen als eine große Beute zu preisen. So arm wird die Kirche werden müssen, daß sie mit jeder armen Seele, die durch ihren Dienst wieder den Heiland fand, ein Freudenfest feiert. Es wird – um einmal diesen Ausdruck zu gebrauchen – eine Paganisierung der Kirche statthaben. Die Kirche wird verbauert werden, man verzeihe den Ausdruck. Sie wird herausgestoßen werden aus dem Gemeindewesen und aus den Ordnungen, wie sie jetzt aus der Schule langsam und grundmäßig herausgedrängt wird. Man wird sie nicht mehr hören mögen und wollen. Sie wird dann draußen in den Dörfern und an den Zäunen und in der Verborgenheit etlichen dienen, die sich noch dienen lassen wollen. Wir haben in neuerer Zeit