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aus geleitete Predigt, sondern die nackte Tatsache und das unverhüllte Erbarmen. Beides gibt der Herr, das eine als den Ernst der Lage, das andere als ihren Trost. Das eine zeigt er auf, damit die Seele erbebe, das andere gibt er ein, damit sie sich erquicke. Wir wollen Ihn angehen, daß in der gesamten Seelenpflege der Magdalenen die hohe Gabe, den Nächsten auch im Fall als Christus wert zu halten, erstehe. Die Seele ist Christus wert, das genügt, das Leben hat einen Heiland ans Kreuz gebracht, das soll es adeln, auch für diesen Menschen hat Gott den Himmel zerrissen, auch in ihm hat er Friedensgedanken dargestellt. Kommt und laßt uns die Münze, die im Kot so lange lag, wieder reinigen und dem verlorenen Schaf werde doppelte Speise. Es wird das allergrößte sein, wenn die Diakonie, die Lehr- und Pflegediakonie an den Gefallenen nach der schweren schwülen Sündennacht einen taufrischen Morgen aufkommen läßt, da man wieder arbeiten lernt, arbeiten als Schutz wider die Sünde. Denn wir sind nicht gemeint, die Seelenpflege an den Gefallenen durch ein beschauliches, behagliches oder irgendwie die eine Sünde mit der anderen vertauschendes Leben zu trösten, vielmehr gewillt, die Nerven anzustrengen und den Menschen wieder an das Gebot der Erdenpflicht zu mahnen: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen. Lag bisher auf dem täglichen Brot die Furchtbarkeit der Sünde und auf all dem überreichen Erwerb der Fluch schnödesten Verdienstes, so soll die Seele jetzt in die Arbeit hereingestellt werden, in eine vielgestaltige Arbeit. Es gehört mit zu den Gesetzen im Reiche Gottes, dessen Weisheit der Apostel eine vielfarbige nennt, die Arbeit durch Abwechslung in der Arbeit zu erhöhen. Es ist nicht gut, wenn immer in eins hin gearbeitet wird, sondern es ist heilsam und recht, wenn diese armen Mädchen in eine mannigfache Pflichtbetätigung hineingestellt werden.

 Und dann wirke man zum zweiten auf ihre Ehre. Ich brauche nicht erst zu sagen, daß jedes Scheltwort, geschweige denn ordinäre Worte der Tod der Seelsorge sind. Die Mädchen müssen sich als Christinnen behandelt sehen. Schwerster Vorhalt geschehe unter 4 Augen, und erst wenn das Mädchen nicht mehr gerettet werden will, dann geschehe, was der Heiland Matthäus 18 vorschreibt. Bis die Oeffentlichkeit Kenntnis hat, ist es immer etwas besonders Gefährliches und Verantwortliches.

 Zum dritten. Man lasse die Mädchen an die reinen Freuden herankommen, an die Freuden draußen, an die Freuden drinnen. Man lasse sie durch Berg und Tal gehen und sorge sich nicht groß darum, wie viele dabei entweichen werden. Das Vertrauen hat immer eine Verheißung und lieber einen großen