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Seinem Reiche Ihm zu dienen, aufleuchte; mit einem Wort: die Geschichte der Diakonie ist die Geschichte des evangelischen Glaubenslebens, bei dessen Betrachtung man den großen Fehler beging, daß man Frühling und Herbst nahe aneinander rückte ohne zu bedenken, welch heißer Sommer die Blüten des Frühlings zur Frucht reifen müsse. Unsre Kirche hat durch ihr Heimweh sich verleiten lassen, den Tag der Reife zu verkürzen, und hat in der Eile, mit der sie auf den Tag der Erlösung manchmal blickte, nicht ernst genug des Arbeitstages gedacht. Jetzt ist die göttliche Strafe dafür da, das Ende des Arbeitstages, der Feierabend ist so fern gerückt, daß man manchmal fürchtet, er sei ganz in Vergessenheit gekommen. Um so schwerer wird der Arbeitstag betont. Jetzt hat die Kirche in der Diakonie sich in tausend kleinen Fragen so verzettelt, geht auf tausend kleine Fragen so behäbig und so behaglich ein, als ob diese Anliegen nicht unter eine große Generalfrage geeinigt werden müßten: Schafft Brot, daß diese in der Wüste noch essen! Jetzt hat sich die Diakonie angewöhnt der Kirche eine Panacee, eine Heilung für alle möglichen Fragen anzubieten, und die Angst, die einst vor 60 Jahren unsre Väter, einen Löhe und einen Petri erfüllt, es möchte die innere Mission die Kirche verdrängen und aus der Kirche ein Konventikel von allerlei guten Leuten, die allerlei Arbeit tun, werden, ist nicht kleiner geworden. Ich meine, wir wollen recht darauf sehen, was unsren Werdenden in der Blauen Schule, unsern Probeschwestern, unsern jungen Schwestern gesagt werden muß: Diakonie ist die von der Kirche aufgerufene freiwillige Leistung im Erdenberuf auf Grund des ewigen Bekenntnisses – zur Linderung und Minderung von allerlei Not. Hier liegt ihre Weite, hier aber auch ihre Grenze; hier liegt ihr Arbeitsfeld und hier ihr Auftrag. Was die Kirche nicht heißt, das soll nicht geschehen, und was ihr am Herzen liegt, das sei uns Befehl! Es ist viel zu wenig geschehen, wenn man unsre jungen Schwestern mit den Grundbefehlen des Heilands nur bekannt macht; wir müssen in der blauen Schule immer wieder sagen: nur wer seine Seele rettet, kann der gefährdeten Kirche etwas helfen; es liegt nicht an deiner Arbeitslust und nicht an der reichen Arbeitsgelegenheit – beide hat auch das Weltkind, und hat es treu und redlich, groß und herrlich – sondern es liegt daran, daß alle deine Arbeit abziele auf Seelenrettung. Man muß den jungen Schülerinnen, die da kommen, recht zu bedenken geben, daß sie an ihrer eignen Seele arbeitend an einen Ort gekommen sind, an dem die Seelenpflege das erste ist. Hier soll, und das ist das Leuchtende an diesem edlen und hohen Frauenberuf, den meisten etwas ganz Unbekanntes ans Herz gelegt werden: