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hat der Herr eine heiligende Kraft gelegt und von der heiligenden Kraft des Berufes möchte ich endlich noch reden.

 Die heiligende Kraft des Berufes besteht, wenn ich recht sehe, darin daß, wie der Prediger Salomonis sagt, ein Mensch fröhlich in seiner Arbeit, und daß man den einzelnen Tag für das Seine sorgen läßt und sich damit begnügt, daß ein jeder Tag seine eigene Plage habe. Die Heiligung ist schließlich doch nichts anderes als der Zusammenschluß des geheiligten Geistes mit dem, der ihn heiligt, der Zusammenschluß des Menschenwillens mit dem, der ihn gab. In der Heiligung lehnt sich mein Wille vertrauensvoll und glaubensstark und treu an den Seinen: mein Wille, Dein Wille, Ein Wille, und dadurch wird die Seele stetig und stille. Es gibt dem Tag immer eine besondere Färbung und der Tagesarbeit ihre besondere Weihe, wenn ein Mensch mit Dem, der ihn in den Tag hineingestellt hat, ganz eins geworden ist. Er wartet auf nichts mehr, er begehrt nichts mehr, es ist ihm genug, daß sein Herr ihm zuweilen zuruft: dein Werk gefällt Mir wohl! Wie viel tausend Stimmen müssen in uns zur Ruhe gebracht sein, bis diese Stimme gehört wird, und wie viel muß in uns feiern und schweigen, bis der Herr spricht: „An dem ich Wohlgefallen habe.“ Um es kurz zu sagen: Das ist die Höhe des Erdenberufes, die der verklärte Meister vor Seinem Leiden erstieg, da der Vater, der die Lebensarbeit des treuen Knechtes überschaute und prüfte, sagen konnte: Er hat getan, was Er sollte, und da über Seiner Arbeit die Klarheit des göttlichen Wohlgefallens ruhte. Nehmen wir es dankbar an, wenn uns der Beruf, da Er, der Herr, uns kommen hieß, immer mehr in die Nähe des Herrn rückt. Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig. Damit ist alles gewonnen, was ein Mensch auf Erden sein eigen nennen möchte, damit ist erreicht, daß ein armer Mensch sagen kann: ich habe alles, was ich brauche, um die Erde zu beherrschen und den Himmel zu gewinnen und hier und dort das ewige Leben zu haben.

 Aber nicht wahr, es sind jetzt doch alles ideale Bilder, von denen manch eine denkt, die werden nie in Erfüllung gehen. Als ob der Herr uns deswegen Ideale gegeben hätte, damit wir von Vorneherein darauf verzichten, sie zu erreichen! Wie wollten wir den Wanderer nennen, der noch einen weiten Weg vor sich sieht, den er heute nicht erreichen kann, wenn er überhaupt sich nicht zur Reise anschickt? Dazu hat uns der Herr das Höchsterreichbare vorgestellt im Erdenberuf, dazu uns den, der treu war in Seinem ganzen Hause und ganzen Leben und in seinem ganzen Wirken, vor die Seele geführt, daß wir, an dem Vorbilde erstarkend, sprechen: Zeuch uns nach dir, so laufen