Seite:Hermann von Bezzel - Einsegnungs-Unterricht 1909.pdf/124

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und forttragen und zu Diakonissenzwecken sich verwenden lassen und sprechen: Wir sind die Kirche. Es scheint, daß bei unserm Volk der Kirchenbegriff je länger je mehr in den alten Spenerschen Gedanken der einzelnen Gemeindlein, der einzelnen Zusammenschließungen zurückgeht. Ich kann persönlich das nicht beklagen. Lieber viele einzelne kleine Herde, so unscheinbar sie sind, als ein wunderbar schöner Kunstherd, der nicht heizt, nicht brennt, und auf dem nichts bereitet werden kann. Paradestücke der Nachfolge Jesu sind um ihrer Unwahrheit willen immer zerfallen, aber den Echten gehört das Himmelreich. In dieser Wehmut, daß vielleicht die Diakonissensache ihr eigenes Grab bereiten muß, wie jene Trappistenmönche, die alle Tage ihr Grab graben, um es wieder zuzuschaufeln, in diesem Weh, das die Diakonissenhäuser sich immer mehr verlieren, tröstet der Gedanke: Und es war doch nicht umsonst. „Alle Pflanzen, die mein himmlischer Vater nicht pflanzte,“ sagt der Heiland, „werden ausgereutet werden.“ Was aber Seine Hand gepflanzt hat, das wird, vielleicht in einer ganz anderen Form, bleiben. Wenn die mittelbare Seelsorge, wie sie von einem Diakonissenhaus nach Jesu Art geübt wird, da und dort Licht und Kraft gibt und Arbeit entfacht und entfaltet, dann mag der Leuchter, der so viele Lichter angezündet hat, selbst weggetan werden, in den Folgen wird er noch gepriesen. Und die Folgen der Diakonissensache, die unter der sichtbaren Obhut des Erzhirten dem 19. Jahrhundert geschenkt wurde, sind, Gott sei tausend mal Dank, unabsehbar und unberechenbar. Gott der Herr habe nur ein Einsehen mit all unserer Arbeit! Er hat uns in der heiligen Taufe den Ruf zugehen lassen: Kommet in meinen Weinberg! Wir haben diesen Ruf vorzeiten gehört, oft vergessen, schnöde mißachtet, viel, viel verdrängt, aber ihm sei dafür Preis, immer wieder ist der stille mahnende Ruf des Herrn an uns ergangen: Kommet ihr auch in meinen Weinberg! Wenn wir durch jahrelange eigene Schuld müßig waren und für uns gruben, bauten, pflanzten und begossen nach eigenem Herzensbedünken, und der Herr all diese Arbeit als eine weit außerhalb des Weinbergs geschehene überhaupt nicht für Ihn vorhanden ansah, so ist doch auch noch in dieser späten Stunde – und heute ist solch eine späte Stunde – der Ruf an uns gekommen: Gehet hin in seinen Weinberg. Von uns aber sei die Frage fern: Was wird mir dafür?, sondern einzig groß sei in unserer Seele die Freude, daß Er uns in dem armen Weinberg, da Er nur demütige Leute brauchen kann, verwenden will und wir wollen es Ihm bis in die Ewigkeit danken, daß Er uns um unserer Armut willen in diesen Weinberg hieß. Ach wenn ich es könnte,