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 Es sind dies große Fragen und diese Fragen werden ganz besonders und ganz gewiß auch auf die Zahl unserer Schwestern drücken. Es werden andere folgenreiche, folgenschwere Entscheidungen kommen. Es wird wirklich nicht mehr in den Diakonissenhäusern zu Betonung etlicher geschichtlich erstarrter Formen heranerzogen werden, man wird nicht mehr so viel Schablone treiben, in deren Behauptung man oft ein sehr wesentliches Stück des Gottesdienstes sah, sondern man wird die einzelnen rüsten, daß ihre Einzelkämpfe der Gesamtheit zu gute kommen und die Gesamtheit ermahnen, daß sie den einzelnen trage, der da kämpft. So wie in der äußeren Kriegsführung der Zukunft alles darauf ankommen wird, daß die einzelnen im Kampf sich bewähren, so wird in der großen Entscheidungszeit jeder einzelne – und das bringt die Berufe wieder auf die Einfachheit des Berufes zurück – dahin angewiesen werden müssen, daß er seine Kraft für das einsetzt, was solcher Kraftanstrengung würdig erscheint.

 Es ist mir ein Lieblingsgedanke und hat den Vorzug, ein wahrer zu sein, daß in allen entscheidenden Momenten der Heilsgeschichte und ihrer Entwicklung immer das Zwiegespräch zwischen Gott und der Seele hervorgerufen wird: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Es ist, wenn der Prophet dem Herrn die Gesamtnot vorträgt, des Herrn Pädagogik immer, daß er den einzelnen herausholt und mit dem einzelnen handelt. Luther hat eine Ahnung davon, wenn er sagt im 5. Hauptstück, das Wort „für dich“ fordert ein gläubiges Herz. Gerade wenn der einzelne weiß, jetzt gilt es dein Leben und jetzt will der Herr deine Kraft und heute will er deine Zeit, gerade dann lebt in dem einzelnen, der Ernst der Entscheidung für viele und in diesem Ernst auch die Freudigkeit zur Entscheidung und er weiß, daß seine Entschiedenheit und sein Entscheid für viele eine Kraft bedeutet.

 Wir haben in der Mannigfaltigkeit der Berufe, die ich naturgemäß in den allerdürftigsten Umrissen hier zeichnen konnte, einen einheitlichen Gedanken, und der einheitliche Gedanke heißt: Dazu bist du berufen, sintemal auch Christus gelitten hat für dich. Nun weiß der einzelne sich jeder feigen Entschuldigung beraubt, kann sich nicht mehr hinter eine Menge von anderen flüchten, darf sich nicht mehr hinter Gattungs- und Gesamtbegriffe verstecken, sondern drei stehen allein: Gott, er und der, der beiden gleich feind ist. Gott fordert ihn zum Selbstentscheid heraus, in dem er die Härte des Weges aufzeigt, für den man sich entscheidet, und die Not der Arbeit aufweist, die man wählt, und die Schwierigkeit des Werkes darlegt, an das man gehen soll. Aber in dieser ungeschminkten