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ist. Das Kind tritt in eine Reihe von Entwicklungsstadien und Entwicklungsprozessen ein, die alle das Gute, das sie wollen, nicht tun, während das Böse, unter dem sie leiden, ihr Herr ist.

 Wie soll nun, wenn das Gebet ein ernstliches und die Fürsorge für die Kindesseele eine treuliche ist, hier das Erste in direkter Hilfe getan werden? Ich rede hier unter Christen, rede, näher gesprochen, unter Christen meiner Kirche und weiß, daß es kein leerer Brauch und eine Tradition der Altvordern ist, die man noch mit allem alten Spielwerk herübergenommen hat in unser lichtes leuchtendes Jahrhundert, sondern als höchste Gnadenwirklichkeit habe ich zu rühmen, als ein Machterbot ewigen Erbarmens zu diesem schwachen, hilflosen und doch der Hilfe so bedürftigen Menschen, wenn Er das Gnadenbad der heil. Taufe jedem Kinde, das nach ihm verlangt, darbietet und gewährt.

 Wir sind die letzten, die einem alten Brauch das Wort reden, damit eine äußere Folgerichtigkeit bestehe. Wir sind auch nicht zu den Leuten zu rechnen, die um des Herkommens willen Sklaven einer lange nicht mehr bestehenden, heimlich eingeredeten Bräuchlichkeit wären, sondern wie es vor Jahrhundert heilkräftig war, glauben wir jetzt noch, daß eben in dem Brunnquell der heiligen Taufe, in diesem „fons salutis“ dem Kinde ein wahrhaft reales Recht, ein wunderbar neues Leben geschenkt wird, groß genug, um das Alte zu verderben, reich genug, um das Alte vergessen zu machen. –

 Wir glauben, daß einer, der dieses Kindes Armut höchst persönlich zu der seinigen gemacht und sich ganz zugeeignet hat, eben um dieser Armut willen das Kind in seine Arme schließt und in Lebenskontakt und Beziehung zu ihm selbst bringt, wissen, daß er, der die Mühlseligen zu sich ladet und Beladne bei sich herbergen will, in der Taufe dem Kinde eine außerordentliche Gabe verleiht. Denn das ist nicht die Art Christi, daß er mit müßiger Symbolik Hoffnungen erweckt, die dann vor der ärmsten Wirklichkeit zerflattern. Das ist nicht die Art Christi, daß er mit leeren, losen Versprechen einer Welt sich nahe, zu deren Einlösungs- und Erfüllungsrecht er nimmer sich bekennen wird, sondern indem er die Taufe einsetzte, rief er den Eltern zu: Säumet nicht, laßt nicht in euren Kindern all das Böse, das Naturgemäße, was in Wirklichkeit Unnatur ist, in wildem Wachstum aufsprießen, ehe ihr nicht die Gegengewalt ihnen gebt und die Gegengabe ihnen vermittelt. Grund der Gnade, Reichtum des Friedens, Fülle der Gottesgedanken, die in der Taufe einem Kinde, das in den Namen des Heilsgottes hereingestellt wird, geschenkt und gewährleistet ist. –

 Ich beklage es darum als ein Unrecht gegen die Kindesseele, wenn bei hoch und niedrig die Taufe so verzögert, ja wohl versäumt wird und denke gerne heute an den Tag Martin Luthers, den seine frommen Eltern noch am selben Tage dem Herrn seines Lebens anvertrauten, an welchem er das irdische Leben erblickte.

 Wer es mit den Kindern gut meint, bitte die Eltern und ermahne sie: Bringt sie früh zum Born der Gnade, entzieht ihnen nicht so lange das freundliche, leutselige Antlitz ihres besten und treuesten Freundes.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Die Pflege der Kindesseele. Verlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission, Nürnberg 1918, Seite 06. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Die_Pflege_der_Kindesseele.pdf/6&oldid=- (Version vom 8.9.2016)