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gemeinsam aus Entscheidungen sich rüstet. Und darum steht mir auch das in alle Wege fest: die beharrliche Kraft wird die bösen Tage zwar nicht vertreiben, aber überdauern. Denn sie redet sich nicht ein, das Unsichtbare und Unfaßbare im Kreuze Christi als Tatsache, die durch Ohnmacht die Weltmacht und durch Torheit ihre Weisheit überwindet, festzuhalten etwa aus dem ungesunden Wege der Selbstbetäubung oder der Verzückung, dieses Enthusiasmus, den Luther bekanntlich nicht nur bei den Sektierern fand; auch bequemt sie sich nicht, diese Tatsache mit Hinopferung des sichtenden und prüfenden Verstandes unbesehen hinzunehmen. Sondern sie will sie festhalten, weil sie soll, und muß es tun, weil sie darf. Kaum ist seit den Tagen der Reformation mit ihrer die Einzelpersönlichkeit lösenden und betonenden Arbeit so der Einzelne in seiner Bedeutung und dem Ertrag für das Ganze eingeschätzt worden wie jetzt. Es ist die göttliche Antwort auf die Atomistik der falschen Philosophie, welche den Menschen das Maß aller Dinge sein läßt, daß die Weltkämpfe im Herzen des einzelnen Menschen sich abspielen und ausgetragen werden müssen, damit der verschwiegene Sieg des Einzelnen dem Ganzen zugute komme. Das Zeitalter des Individualismus ist in Gottes Hand voll von universalistischen Tendenzen, die erobern, um zu behaupten, und bewahren, um zu erobern. Dann werden die Abende heller als der Morgen, und das Ende der Kirche besser als ihr Anfang, dessen keimartige Gaben bis zum Ende sich entfaltet und es gekrönt haben. Paulus ermahnt nicht umsonst, anstatt daß er neue Gaben in Aussicht nehmen sollte: ἀναζῳπυρεῖν (2 Tim. 1, 6) τὸ χάρισμα „Erwecke die Gabe, die in dir ist“. Die Gabe muß erweckt werden, die der scheidende Herr, der, aus Raum und Zeit genommen, beides erfüllen will, seiner Gemeinde in Darbietung des ganzen Pleromas des Seins und Soseins, der leibhaftigen Wesensfülle gewährt hat. Sie muß erweckt werden durch die Energie des Glaubenwollens, durch die Standhaftigkeit der die einzelnen Willensregungen zu bewußt willentlicher Erfassung bringenden Treue; und diese Gabe ist täglich neu und doch nie erst zu erproben. Das ist genug, um eine Gemeinde heranwachsen zu lassen, die in männlicher Treue das Alte bewahrt und in ewiger Jugend sich selbst erhält.

 Darum wollen wir zu Grundtatsachen zurückkehren, ehe die Neuerungen uns das Feuerbeständige anzweifeln und das ewige Licht dunkel werden lassen, das Ewige erfassen, damit die Zeit keine Macht an uns finde.

 Zwar müssen wir gestehen, daß alle Begrifflichkeiten die Tatsachen

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Hermann von Bezzel: Die Heiligkeit Gottes. Dörffling & Franke, Leipzig 1916, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Die_Heiligkeit_Gottes.pdf/8&oldid=- (Version vom 9.9.2016)