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Getrostheit der Seele, die im Willen die unsichtbare Hand der Treue mit der Gewißheit faßt, daß sie aufgeben sich aufgeben hieße und er selbst sich nicht leugnen könne (2 Tim. 2, 13).

 1. Alles, was um der Menschen willen geschaffen wird, ist der Veränderlichkeit unterworfen. Zeiten und Länder, Verhältnisse und Verbindungen ändern sich, denn durch sie zieht die Unruhe der Menschen, und an ihnen arbeitet die Rastlosigkeit des Bösen. Werte und Worte, für Zeiten geprägt und gesprochen, verlieren Bedeutung und Klang. Wie hoch dachte man von Bündnissen und Verbrüderungen, von Schutzversprechen und Treuversicherungen. Der erste Anlaß zur Bewährung sah sie fallen. Die Zeiten haben sich geändert, weil die ethischen Voraussetzungen, die für die Vergangenheit galten, für die Gegenwart nimmer bindend, geschweige denn für die Zukunft verpflichtend sind. Der lange genährte Irrtum, als ob die germanische Rasse in ihr selbst Hüterin des reformatorischen Gutes sei, erwies sich bald als töricht. Gott hat nicht den Gegenden und Stämmen die Bewahrung des Gemeingutes anvertrauen wollen, das, von einem Orte ausgegangen, durch diesen nimmer geschützt wird. Wie bald werden die germanischen Völker durch ihre Schuld aus dem Erbe verstoßen sein und dem Raum geben, was einst in ihren Grenzen bestritten ward! Es ist ein Unrecht, wenn man von „zeitgemäßen“ Maßregeln Heil erwartet, von Beschlüssen, die aus der Zeit für sie gefaßt sind, und bleibt verhängnisvoll, wenn man von Konzessionen an das Zeitbewußtsein Hilfe erwartet und das Ewige und Wahre durch Pakt mit der Veränderlichkeit der Tagesmeinung zu retten sucht. Zeitbewußtsein ist nicht der Niederschlag von der gemeinsamen Erfahrung des Ewigen, sondern der jeweilige Versuch, Selbsterfassung an seine Stelle zu setzen. Was heute groß ist, das kennt der nächste Morgen nicht mehr, der mit Leidenschaft das gestern als klein Gegoltene emporhebt.

 „Du aber bleibst, wie du bist!“ Der hehre Gottesgedanke, der Fleisch ward, um der Menschen und um ihrer Seligkeit willen Gestalt annahm, bleibt, ob sie ihn umdeuten und mißdeuten, erklären und erläutern, mit Menschenmaß ihn messen, um ihn nach Menschenart zu verurteilen, geht durch die Jahrhunderte, wie er einst war. Und etliche, denen diese gelassene Bestimmtheit, die nicht starre Verschlossenheit ist, das Herz gewonnen hat, wollen bei dem Heiligen Gottes verharren, nicht weil energische Gewalt aus heißer Fieberglut, die Unklarheit und Angst erzeugten, an ihn sie weist, noch weil mechanischer Zwang

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Hermann von Bezzel: Die Heiligkeit Gottes. Dörffling & Franke, Leipzig 1916, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Die_Heiligkeit_Gottes.pdf/21&oldid=- (Version vom 9.9.2016)