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im Affekt der Zugetanheit das Weh der Enttäuschung und in dem sorgenden Leben die Reaktion des verschmähten bedingt ist.

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 Als der Prophet in trüber Zeit den Herrn sieht, der um sein Volk in der Rätselhaftigkeit einer durch nichts in und an Ihm veranlaßten Wahl wirbt, gewahrt er ihn in seinem heiligen Tempel, umringt von den Feuergeistern, denen die Liebe zu ihrem Gott das Herz brennend und die Zunge feurig gemacht hat. Dreimal heben sie den Lobgesang an, dessen Widerhall Himmel, Erde und Meer in brausendem Chor geben. Und wie sie auch nach Worten suchen, die ihrer innerlichen Gottesscheu Ausdruck sein möchten, finden sie nur das eine Wort in der Dreiheit der Selbstbejahung und der an ihr gewachsenen Erkenntnis: Heilig ist der Herr, dessen lichtes Gewand Sterne umsäumen und dessen reines Leben die Chöre aller Gotteskinder umjauchzen. Vor der alles Kreatürliche überstrahlenden Reinheit der Ursprünglichkeit, die den Gegensatz nicht nur im Unreinen, sondern in der abgeleiteten Reinheit hat, bedecken die Boten Gottes Antlitz und Füße, Wort und Weg, Gebet und Leben. Es ist die Ratlosigkeit dem Unaussprechlichen und Unauskündbaren gegenüber, die eine Ewigkeit zum Danke bedürfende Endlichkeit, die sie schweigen heißt. Aber der Prophet, der das Leben vor dem Ideal des Lebens verwirkt sieht, je weiter entfernt es von ihm ist, soll entsühnt und entsündet, gestärkt und gerüstet werden. Der nicht einmal vor dem Herrn zu stehen wußte und wagte, soll fortan sein Bote sein, und dessen Augen von der heiligen Majestät geblendet waren, der soll fürderhin in Gottes Herz Einblick tun, wie es über dem Volke, dem ungetreuen, über dem leidenden Gerechten, dem Getreuen, bricht. Darum kann der Prophet Habakuk beten: Du Herr, mein Gott, mein Heiliger, der du von Ewigkeit bist, laß uns nicht sterben! Denn sobald die Seele in der inneren Überzeugtheit von verschuldetem Verderben zu dem sich wendet, der das wider ihn sein Wollende vernichten muß, wenn er nicht seine eigene Persönlichkeit gefährden und der Karikatur des Gottesgedankens dessen Recht preisgeben will, sobald ruft sie die göttliche Selbstbehauptung zur Behauptung ihres Rechtes an dem Geschaffenen auf, die Liebe, die dem Zorn nicht widerspricht, sondern aus ihm redet, der gegen die Sünde sich wendet, damit die Sünder bleiben. Heiligkeit ist sohin nicht nur Reaktion gegen das Böse, sondern auch Anspruch auf dessen Beute, sofern und soweit sie sich der Tyrannei bewußt ihr entziehen will. Jesajas kennt seine Not, und deren Straffolge ist ihm nicht verborgen.

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Hermann von Bezzel: Die Heiligkeit Gottes. Dörffling & Franke, Leipzig 1916, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Die_Heiligkeit_Gottes.pdf/14&oldid=- (Version vom 9.9.2016)