Seite:Hermann von Bezzel - Der erhöhte Herr.pdf/16

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Allgemeinen erhoben. Was er dem sinkenden Petrus zuredete, was er dem zweifelnden Thomas zusprach, was er dem armen Paulus in Trübsalsnächten Tröstliches bot, das ist aus der speziellen Beziehung heraus mir und dir vermeint. Er wendet, indem er den einzelnen sich zuwendet, der ganzen Menschheit sein Wort zu. Das ist das Wort des Herrn Christus, das, in den wenigen Kapiteln der Schrift verfaßt, von zitterndem Kiel nachgeschrieben ist, mit strauchelnden, aber nicht fehlsamen Zügen. Das Wort des Herrn, auf ärmlichen Saiten gesungen, die aber gestimmt und gerührt sind von dem großen Meister aller Lobestöne, aller Liebesklänge, ist jetzt aus der Enge der nächsten Bezogenheit in die Weite seiner Kirche gestellt. Indem er so seinen mystischen Leib verklärt, wird er die Fülle des, der alles in allem erfüllt, mit dem Unscheinbarsten das Größte dar bietend, mit dem verklingenden, vergehenden Wort die Fülle der Ewigkeiten erschließend. Vielleicht ist der Rat nicht ganz verächtlich: Nehmen Sie jeden Tag ein Wort des Herrn Jesu als Ihnen zugesprochen, folgen Sie dem Rat des teuren, schriftgelehrten Mannes Joh. Albr. Bengel: „So kein Name genannt ist, da setze getrost deinen Namen ein, und wo ein Name genannt ist, da darf der deine auch stehen. Lassen Sie ein Wort Jesu in seiner Unmittelbarkeit auf sich wirken, und geben Sie wohl acht, ob dann nicht wenigstens die Sehnsucht in den tiefsten Gründen des Herzens erwache. „O, daß es so wäre, wie du gesagt haben sollst!“ Das ist dann eine Erfüllung des Jesusgebetes: Heilige sie in deiner Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit; mache mein, dein Wort zu dem ihren, schließe meine Erfahrung mit ihrem Erfahrenwollen, ihre Erfahrungen mit meiner Treue zusammen!

.

 Er verklärt aber seinen heiligen Leib, die Kirche auf Erden, mit seinem Sakrament; denn so gewiß er jetzt verklärt in der Majestät ist, so gewiß verklärt er sich zugleich auch in den unscheinbaren Zeichen der Natürlichkeit. Weil das tägliche Brot unmittelbarste Nahrung und der Wein seligste Erquickung ist, will er mit seiner geistleiblichen Persönlichkeit allen, die nach ihm Verlangen tragen, als tägliches Brot und selige Erquickung sich zu eigen geben. Er läßt sich, der verklärte Herr, in diese armen Zeichen bannen, er durchwaltet die Unscheinbarkeit einer – so meint man wohl – sinnbildlichen Handlung und erhebt das Naturmysterium sättigender Gnade zum Gnadenmysterium überschwenglicher Güte. Das ist es, daß er seine Gemeinde mit den primitivsten Mitteln zur höchsten Höhe erhebt, daß er, wenn es ihm gleich möglich wäre, in unfaßbaren Dingen von Größe, Reichtum und Weisheit der Gemeinde sich zuzueignen, mit den allerunscheinbarsten und dem Anscheine nach ungenügendsten Mitteln ihr sich

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Der erhöhte Herr. Furche, Berlin 1914, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Der_erh%C3%B6hte_Herr.pdf/16&oldid=- (Version vom 5.7.2016)