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Aufgefahren gen Himmel.

 Während die Berichte von der Auferstehung des Herrn bei aller Differenz im kleinen und unwesentlichen mit einer geradezu mikroskopischen Genauigkeit das Wunder, soweit es darstellbar ist, uns nahebringen, so daß ein großer Leugner sagte, wenn man die Auferstehung glaube, wisse man freilich nicht, wie man sie anders darstellen solle, sind die Berichte über die Himmelfahrt geradezu dürftig zu nennen. Hier war zu berichten, was kein Auge gesehen, was kein Ohr gehört, was in keines Menschen Herz gekommen ist, zu dessen Darstellung uns Worte gebrechen und unsere Begriffe nimmer hinreichen. Solange der Herr den Seinen auf Erden sich versichtbart hatte, war er auch noch begrifflich ihnen näher, konnte er, wenn auch nicht zureichend, von dem Worte bezeichnet werden, das er geschaffen und durchgeistigt hatte. Aber von der Stunde an, in der er sich der Sichtbarkeit entnahm, reichten die Begriffe für diesen Prozeß nicht mehr hin. Das hat Gott bereitet dem, der ihn liebhatte; die Jünger aber sahen ihrem Meister nach, wie er in die Welt der Unsichtbarkeit hinaustrat.

 Wie unsere Gedanken im Gebet, in der Kontemplation schließlich diese Seinswelt verlassen, um in einer Welt zu erwachen, die uns jetzt noch so fern ist, weil wir wieder in die Räumlichkeit zurückkehren müssen, so ist unser Herr in der verklärten Leibespersönlichkeit hinausgetreten oder lieber hineingehoben in die Welt nicht der Begriffe, nicht der Vorstellungen, nicht in eine Welt subtiler Gedanken, die schließlich sich verflüchtigen müßten, sondern in die Welt der seligen Wirklichkeiten. Denn nicht an dem ist es, daß erst Begriffe diese Welt darstellen müßten, sondern umgekehrt, diese Welt der Wirklichkeit, die mit der Wahrheit sich geeinigt hat, die Welt der ganz durchheiligten Wirklichkeiten ist es, welche den Herrn aufgenommen hat; und wenn wir nichts weiter von diesem Geheimnis wüßten, dann wäre uns ein Wort von besonderer Bedeutung, nämlich das Wort, daß die Jünger nun mit Freuden an ihr Tagewerk gingen, ein Wort, das Luther zum tiefsinnigen Ausspruch brachte: „Da du mir nahe warst, da warst du mir so ferne, nun du mir fern bist, bist du mir so nahe.“ Da du nahe warst, faßlich, greiflich, menschlich nahe, da ich deine Züge ansehen und

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Hermann von Bezzel: Der erhöhte Herr. Furche, Berlin 1914, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Der_erh%C3%B6hte_Herr.pdf/11&oldid=- (Version vom 5.7.2016)