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Tiefe Luther ins Auge gefaßt und in der Kraft Christi gewandelt. Die Gründlichkeit des deutschen Theologen, noch mehr der Kampf des Christenherzens, welches nicht allein in Luther schlug, wohl aber in Luther zusammengefaßt sich darstellte, die Kämpfe der gesamten Christenheit, haben die Reformation in deutschen Landen herbeigeführt. Nicht bloß die Gemütstiefe Luthers, nicht die durch scholastische Kämpfe hindurchgegangene und von ihnen unbefriedigt belassene Entwicklung des Professors, nicht einmal die bange Frage des einsamen Mönches haben Gottes Werk in deutschen Landen herbeigeführt, sondern die erste und einzige Frage der suchenden und ringenden Christenheit: „Wie bekomme ich meinen Heiland wieder?“ ist in Luther widergeklungen. Er hat nur dieser Frage der ganzen Welt, der geängsteten Menschenseele beredten Ausdruck verliehen, als er in der Klosterzelle sich mühte um den gnädigen Gott. Denn das ist Gottes Ehrenrecht, daß Er Jahrhunderte und ihr Verlangen in einem Manne ausrasten lässet. „Nicht Gott zürnt mit Dir, sondern du zürnst mit Gott.“ Diese Worte des Generalvikars Staupitz und die Frage des alten Klosterbruders: „Doktor, seid Ihr getauft?“ haben Luther zurechtgewiesen. Die Angst war ja nicht aus seinem Gemüt erwachsen, als ob sein Gemüt wäre durch dämonische oder nervöse Einflüsse besonders erschüttert worden, sondern es ist die Frage der ganzen Christenheit, die er „intuitiv gleichsam aufgesogen hatte“ (Döllinger) und deren Lösung: „Glaube an den Herrn Jesum Christum, so wirst Du selig.“ Damit war die ganze Welt wieder von neuem auf ihren Heiland hingeführt. Luther hat so auch der katholischen Kirche Großes genützt und ihr Dienste erwiesen, nicht bloß des Mordbrenners, dem man es nicht dankt, daß man zu neuen Scheunen kommt, weil er die alte angesteckt hat, sondern Dienste, welche an jenem Tag von der katholischen Kirche werden anerkannt werden. Luthers Werk war zunächst rechte Lehre. Lehre war es, die ihm im Beichtstuhle entgegentrat, als ihm das irregeleitete Volk die