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als Werke der Barmherzigkeit in jener Kirche treibt; denn auf Franziskus von Assisi kann man hier füglich nicht zurückkommen. Vincenz hat Heere von Menschen mobilisiert, um der Welt die Gabe der Barmherzigkeit zu übermitteln, aber in verfassungsmäßiger Weise. Das Klösterliche läßt sich nicht abstreifen, es ist alles eingeordnet in die großen Pläne der Kirche, deshalb sind auch jene Bekehrungsversuche an Andersgläubigen, über die soviel geklagt wird, notwendige Bestandteile ihres Seins, aus deren Uebung man ihr füglich keinen Vorwurf machen kann. Das ist das Charakteristische für immer: es ist Verfassung, nirgends freie Liebestätigkeit, sondern scharf begrenzte, klar verfaßte. Damit hat die katholische Kirche auch das für sich, daß ihre Barmherzigkeitswerke mehr ins Auge fallen, weil sie einheitlich sind, weil sie als eine kompakte, festgeschlossene „Masse des Erbarmens“ der staunenden Welt entgegentreten, und weil die einzelnen Persönlichkeiten, die hier die Barmherzigkeitswerke ausüben, solches nicht allein darum tun, daß sie Christo dienen und danken wollen, sondern auch darum, daß sie sich als Glieder ihrer weltbeherrschenden Kirche fühlen. Die geschlossene Barmherzigkeitsübung mit ihrer Verfassung zeigt deshalb nur solche, die üben, und solche, an denen geübt wird, und darum wird es uns Evangelischen nie gelingen, bei der Welt gleiche Anerkennung zu finden. Die Welt verlangt, daß ihr die Quantität imponiere; denn es liegt auch in der Quantität ein Segen, und weil sie nur nach Quantitäten rechnet, so beugt sie sich unwillkürlich auch nur Quantitäten.

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 Das Verlangen, mit der römischen Kirche in Konkurrenz zu treten, heißt verlangen aufzuhören, evangelisch zu sein. Je mehr wir eindringen in diesen Kernpunkt der katholischen Kirche, in die verfassungsmäßige Gestaltung alles ihres Tuns, desto mehr begreifen wir, welche Gnade der Herr dieser Kirche geschenkt hat und wie sie ihren Beruf an der Welt noch nicht ganz erfüllt haben kann. Wir begreifen, daß es nicht Verleugnung der eigenen