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Weltfreudigkeit. Mit dem Klagen über die schlechte Welt ist nie etwas besser geworden. „Gürte dein Schwert und nimm dein Kreuz auf dich“. Wir Lutheraner kennen die Welt und wissen: Es ist auch noch in der Welt ein Zug, der zu Christo will.

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 Die Welt soll ja nicht überwunden werden, damit sie tot zu Boden liege, sondern damit sie Ihm entgegenringe, der Sich für sie betend müde und matt gerungen hat, und der doch auch für sie gestorben ist. „Siehe das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt“. Dieser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat, daß sie Verlangen hat nach Dem, der ihre Sünden in treuer Weise getragen. Das ist nicht die Hauptsache, daß unter unsern Schritten die Welt zusammenbricht, sondern daß unter unserm Tun die Welt ein Verlangen anwandelt, Den zu lieben, der solche Macht den Menschen gegeben, und der auch uns geliebet hat, zu dem wir stehen dankend, preisend und dienend. Ja, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt, auf daß sie als Besiegte in der Mühe ihrer Niederlage ihren ewigen Herrn, den Erbarmer suche. Wen Gottes Sohn, Jesus Christus, nicht als Lamm tröstlich besucht, den zwingt Er als Löwe nieder. Aber sobald der Einzelne, sobald eine Bewegung in der Welt die Gewalt dieses löwengleichen Herrn verspürt hat und sich sehnt nach Heilung all seiner Wunden, da tritt Er ein und spricht: „Ich bin der Herr, dein Arzt.“ Es ist lutherischer Christen Art, auch in der Welt den Zug zu den ewigen Höhen zu verspüren und zu erlauschen – die Menschenseele bleibt doch von Natur eine Christin, die „Menschenseele ist eine beflügelte“. Lieblingswort Löhes.) Ja, sie bleibt beflügelt und selbst in der Welt, die so leer und arm sich vor uns ausbreitet, liegt noch Verlangen nach ewigem Leben. Wer die Tiefen des Liedes kennt, auch des weltlichen Liedes, wer den Ernst der Kunst erfaßt hat, auch der erst sich heiligenden Kunst, wer die Tiefen der Weltweisen kennt, der wird allerwärts ein Ringen gewahr, ein Verlangen: Ach, daß ich leben möchte. Wenn dieses Mutterhaus und Sie selbst die