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Sie irgendwie veranlassen möchte, den müssen Sie meiden. Darin besteht wahrlich nicht die kindliche Treue zum Mutterhaus, daß man die manchfachen, unleugbaren – und auch nicht geleugneten – Schäden schonungslos aufdeckt, sondern darin, daß man auf Fehler barmherzig aufmerksam macht. Man soll uns nicht verschweigen, wo wir fehlen, wir wollen es ihnen gegenüber auch nicht tun; aber es soll die rechte Ehrerbietung gewahrt werden denen, welchen Ehre gebührt, denen, die der Herr an die Spitze gestellt hat. Sie bedürfen dieser Ehrerbietung gar sehr, der Treue, wenn sie nicht erlahmen sollen. Es ist ja ohnehin, auch im Besitze mit dieser Treue, so schwer. Sie haben manchmal den Eindruck sinkender Welten. Stützen Sie unsere Hände durch Ihr Gebet, auf daß wir siegen mögen über uns selbst, über unsere offnen und geheimen Feinde, über die Gefahren, die aus unserm Naturell, aus unserer Schwachheit und Fehlsamkeit erwachsen müssen. Beten Sie für uns, das ist der beste und der größte Dank, den Sie uns erstatten können. Es muß für Sie ein großer Gedanke sein, einem solchen Hause anzugehören, und Stolz kann auch Christentugend sein. „Worauf bist Du so stolz! Auf meine Heimat!“ Wer nicht Liebe zur irdischen Heimat hat, wie kann der Liebe haben zu dem Jerusalem, das droben ist? „Wer seine Mutter nicht liebet, die er sieht, wie kann der Gott lieben, den er nicht siehet?“ Wer das Mutterhaus nicht liebt, dem er angehört, wie kann der das himmlische Vaterhaus lieben? Das stehe fest und unwandelbar: Wer nicht das Mutterhaus liebt, der liebt auch das Vaterhaus droben nicht. Wenn es an dem wäre, daß man nur auf Kosten des Vaterhauses droben das Mutterhaus lieben könnte und dürfte, so müßten die Steine auseinanderbersten; aber es ist glücklicherweise nicht an dem. Noch ist bei aller Sünde die Gnade sehr mächtig, und bei aller Schwachheit werden Siege errungen, die dem Herrn wohlgefallen. Eben darum lieben Sie Ihr Mutterhaus in rechter Treue, in der Liebe, welche manche Schäden schön findet und manches Schöne schädlich.