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III.

 Und das dritte Wort: „Ich finde keine Schuld an diesem Menschen.“ (Joh. 19, 6.) Wie hat Israel Jesum verklagt! Wie hat das Priestertum des heiligen Volkes seinen Hohenpriester verstoßen! Alle Schmach haben sie auf ihn geladen, alle Laster ihm angedichtet, alle Vorwürfe auf ihn gehäuft. Hilflos steht der Heide da und spricht: „Ich finde keine Schuld an diesem Menschen!“ Und sein Weib läßt ihm sagen: „Habe du kein Teil an diesem Gerechten! (Matth. 27, 19.) Daß das Heidentum aufstehen muß, und der Unglaube sich zum Schutze Jesu erheben, und der Zweifel ihn verteidigen muß, das ist der Triumph Jesu Christi. „Ich finde keine Schuld an diesem Menschen!“ Und als ob der Gemeinde eine neue Offenbarung würde, rauscht es durch ihre Saiten, geht es zu tiefst durch ihr Herz und Gemüte, klingt es durch ihre Lieder, dringt es durch ihre Weisen, geht es über sie selbst hinaus: O Lamm Gottes, unschuldig! „Keine Schuld“ – ob auch die Lüge, die die Jahrhunderte mit ihrer Kritik auf ihn richten, noch schärfer wäre als sie ist, ob alle Dichter, Denker, Forscher, Kritiker und Skeptiker mit erneutem Scharfsinn gegen ihn sich wenden – eher müßten sie das ganze Bild leugnen, ehe sie einen Flecken an ihm fänden; eher müßten sie mit dem Scheidewasser ihrer Kritik das ganze Bild, das die Wahrheit mit der Farbe der Keuschheit gemalt hat, auflösen und zerfließen lassen, ehe sich ein Schatten auf dem allerheiligsten Antlitz erwiese. „Keine Schuld!“ Achtzehn Jahrhunderte haben einander die Arbeit übergeben: suche und finde Schuld an diesem Nazarener! Forsche so lange in seinen Worten, grabe so lange in seinen Werken, spüre so lange in seinen Taten, in seiner Nachfolge, bis du seine Schmach entdeckst! – Und ein Jahrhundert hat zum andern sagen müssen: ja, er ward zur Sünde gemacht und zum Fluch mißgestaltet, aber in ihm war keine Schuld. Das ist die Apologie und Verteidigung Christi,