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1. Tim. 6, 12–14. 
Unter Pontio Pilato!


 Daß in dem Glaubensbekenntnis kein Glaubenszeuge aufgeführt wird, der durch Beispiel und Vorbild andere in ihrem Glauben stärken und vor dem Scheinglauben bewahren könnte, ist ein Wunder. Ich weiß nicht, ob ihr euch schon darüber besonnen habt, wie eigenartig das ist: kein Johannes und sein Zeugnis von Christo, kein Paulus und seine Weisheit vom Kreuz, kein Petrus mit seiner Rede von dem, der uns nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem heiligen teuren Blut erlöst hat, (1. Petr. 1, 18 u. 19), kommt im Glaubensartikel vor, sondern der Vertreter des Unglaubens. Das ist eben die Weisheit der Kirche, daß sie den Glauben durch seine Feinde erweist; daß sie nicht von überall her Anleihen macht, um den Glauben zu stärken, sondern die Gegensätze und die Feinde des Glaubens heranführt, damit man wisse, was es um den Glauben sei, nämlich um den Sieg sowohl über die Beweise, als über die Widersprüche.

 Wenn moderne Menschen, auch Menschen, die noch glauben wollen, einander den Glauben stärken, so bringen sie eine Menge von Zeugen herbei: dieser Feldherr hat geglaubt, dieser Dichter hat gehofft, dieser Künstler hat an Jesum sich gehalten und dieser Geschichtsschreiber fällt ein günstiges Urteil über ihn, also darf und kann auch ich es. Es gibt nichts Geringeres, ich möchte sagen, nichts Kindlicheres, als diese Art, den Glauben zu stützen. Wenn mein Glaube nicht durch das gehalten wird, woran er glaubt, so wird er nicht durch die gehalten, die ihn teilen; und wenn mein Glaube nicht durch die Gegnerschaft erwiesen wird, so wird er durch die Freundschaft nicht gestärkt.