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II.

 „Jesus ist Herr,“ das ist die Antwort auf alle Sorgen. „Die Wasserwogen im Meere sind groß und brausen greulich“ (Ps. 93, 4). Ich meine, wir haben sie gesehen und haben sie genugsam gehört. So, wie die Jahre 1913 auf 14, 1914 auf 15, 1915 auf 16 ineinander übergegangen sind, so vorahnend und so unheilverkündend sind kaum noch Lebensjahre an uns vorübergezogen. Was für Sorgen ergeben sich fürs eigene Herz: Werde ich nicht das Ungewohnte gewöhnen? Werde ich nicht hart werden, während meine Brüder leiden? Werde ich nicht ganz schwermütig und trübsinnig, weil das Unrecht zu herrschen und das Recht daniederzuliegen scheint? Wird mein Volk wirklich aus diesem Kriege verneut, verjüngt hervorgehen? Werden die Feinde gründlich besiegt werden, so daß wenigstens unsere Nachkommen lichtere Zeiten haben, als wir sie jetzt besitzen. Wird mit der Sonne des erwünschten Friedens eine Sonne aufsteigen, unter der die Menschen sich wieder begegnen, verstehen, tragen und einander trauen? So viele Sorgen! Wie wird es denn mit meiner Kirche werden? Wird ihr ein Dank aus diesem Krieg erwachsen oder ein größerer Abfall? Werden die Leute sagen, es sei ja doch nichts mit dem Bekenntnis der Väter, denn das Christentum habe ja versagt? Man brauche für eine neue Zeit auch einen neuen Gott, einen neuen Glauben, eine neue Kirche. Es sind das nur einzelne Sorgen, jeder hat seine eigenen. Und das Sorgenheer umschließt das Herz wie ein Ringpanzer und bei jeder Bewegung fühlt man, wie sich die Ringe fester schließen und das Herz zusammenschnüren – und es wird so arm und ängstlich, so sorglich und so schwer. Ich meine, wir sind doch jetzt alle auf dem Standpunkte, daß wir sagen, von dem Frieden erwarten wir fast noch weniger als vom Krieg. Der Krieg erhebt doch alles ins Ungeheure, erweckt Kräfte, belebt Hoffnungen, er gibt Mut. Und was wird der Frieden geben? Seht, so viel Sorgen, so viel Siege des bösen