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Geheimnis des Lebens Gottes und Christi einzublicken, daß jetzt die unablässige und unzerstörbare und unverlierbare Gemeinschaft des Vaters mit dem Sohne durch das Leid der Menschheit dargestellt ist, daß der Sohn dem Vater immer wieder der Menschheit Jammer erzählt und ausschildert, daß er dem Vater sagt, was es um Versuchung ist. Was der Herr in seinem kurzen Erdenleben erfahren, erlitten hat, die ganze große Passion seines Lebens hat er mit heimgenommen. Da ist nichts verloren gegangen und nichts in Vergessenheit geraten. Da hat er in jedem einzelnen Menschen die Liebesgedanken Gottes und den Schmerz über zerstörte Gedanken erfahren und erlebt.

 Wenn also das Bekenntnis majestätisch spricht: empfangen vom heiligen Geist, geboren aus Maria der Jungfrau, gelitten – so steigt es drei Stufen abwärts: von Himmelshöhen in Erdenarmut, von Erdenarmut in Leidenstiefe.

 Er hat gelitten. Nie ist die Freude anders als in der Erinnerung und in der Weissagung zu ihm gekommen. Nie ist die Sonne ihm anders aufgegangen als in der Erinnerung an das Verlassene und im Hinweis auf das zu Gewinnende. Ihm hat die Sonne nie gelacht, ihm hat der Himmel nicht geblaut, ihm hat die Erde nie Trost gegeben; denn er sah überall der Sünde Leiden. Wenn wir Schmerzen sehen, so lassen wir uns, wenn wir überhaupt Mitleid haben, an des Schmerzes Erscheinung genügen und wollen ihn nicht auf uns wirken lassen. Er aber hat nicht nur die Erscheinung gesehen: „das macht dein Zorn, daß wir so vergehen!“ – (Ps. 90, 7), sondern er hat auch immer wieder das Geheimnis mit neuem Staunen durchlebt, wie ein Mensch, in die Wahl gestellt zwischen Heimat und Freude und Fremde und Sünde, diese wählen und jene lassen kann.

 Aber, Gott sei Dank, daß dieses große Leidensbild des Herrn nicht umsonst über der Erde erstanden ist. Seitdem er draußen vor dem Tore über jeder einzelnen Seele und über die Seele der