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für die Klagen eines armen Kindes weder Zeit, noch Lust, noch Interesse. Du weißt, das sind ganz andere Lebenskreise als die deinen, Unbedeutendheit in deinem Sinn; du hörst vielleicht nur halb hin, wirfst einen Satz ein, schneitest ihre Reden ab, du langweilst dich. Und dein Herr hat sich um alle Kleinigkeiten des Lebens, um das Spiel der Kinder am Markte gekümmert: Es war alles so unreif, so unfertig, und er hat sich um jede einzelne Seele mit dem größten Interesse, mit der innigsten Seelsorge angenommen – bis auf diesen Tag. Wenn ein Mensch nimmer den Mut hat, zum Menschen zu gehen, so hat er die Freude und das Recht, zu Jesus zu kommen. Jetzt noch, heute noch, wenn du dir selber eine Last bist und dir selber zum Überdruß – und das sind nicht deine schlechtesten Zeiten – ist er bereit, die ganze Jämmerlichkeit des Lebens, aus dem du fliehen möchtest und das du hinter dir lassen willst, hereinzunehmen, sich alles einzelne von dir schildern und erzählen zu lassen.

 Gottes eingeborner Sohn kümmert sich darum, daß an dem Hochzeitstag armer Leute der Wein gebricht. Hört es: die Großartigkeit besteht nicht in der Pflege des Bedeutenden, sondern in der Pflege des Kleinen und in der Erbarmung mit den geringen Verlegenheiten des Lebens. Jesus hat sich um 5000, die kein Brot hatten, gesorgt. Er litt für arme, an des Tages Flüchtigkeit und der Erde Eitelkeit verkaufte Leute. Paulus schreibt an die Römer: „Es stirbt kaum jemand um eines Gerechten willen; um des Guten willen dürfte vielleicht jemand sterben. Darum preiset Gott seine Liebe gegen uns, daß Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren.“ (Röm. 5, 7 und 8.)

 Für wen hat Christus gelitten? Für Herren, für Leute, deren Dank dann sein Leben verklärte? Für Persönlichkeiten, an die es wohl wert war, sein Leben zu wagen? Für hervorragende Leute? Keineswegs, sondern für die Ärmlichkeit deiner und meiner Seele.