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nächste Tag bringen möge, und jeden Abend irgendeinen Strahl der Sonne noch in die Ruhe mit hineinnehmen, daß er den Schlaf und die Ruhe verkläre, hat der Heiland nichts anderes, als Fremdlingsweh und Heimatlosigkeit getragen. Mit jedem neuen Tage kam die Sünde an ihn heran, lockend und drohend, ladend und fordernd. Und jeden Tag war er unter einem Volke, das ihn nicht verstand. Wie arm muß Jesus gewesen sein, daß er die seine Freunde nannte, die ihn nicht verstanden! Wie dürftig muß Jesu Leben gewesen sein! Wenn wir Freunde haben, vertrauen wir ihnen und wissen, daß sie für uns eintreten. Der Herr bittet die, für die er sein Leben wagt, sie möchten eine einzige Stunde mit ihm beten – und ihre Augen waren voll Schlafes. Wie arm muß Jesus gewesen sein, daß er zu diesen bejammernswürdigen Jüngern sagen konnte: „Ihr seid es, die ihr bei mir beharret habt in meinen Anfechtungen.“ (Luc. 22, 28.) Es ist, als ob der Herr, damit nicht alles ihm versinke, das Wenige und Unscheinbare noch annehme, um doch etwas erreicht zu haben. „O du ungläubige und verkehrte Art, wie lange soll ich bei euch sein und euch dulden,“ spricht er dort zu den Jüngern, die den armen leidenden Knaben nicht heilen können. (Luc. 9, 41.) „So lange bin ich bei euch,“ hebt er wiederum an, „und ihr kennet mich nicht!“ (Joh. 14, 9.) Es war, wie wenn jemand in ein löcherichtes Sieb Wasser schöpfen wollte, spurlos ist die Arbeit entschwunden. Wie schwer wird es uns, wenn wir an einen Menschen ein Stück unseres Lebens wagen – und er enttäuscht uns. Und hier hat der Herr sein Bestes, was sage ich, sein Alles an Menschen gewendet und der Erfolg? – „Da verließen ihn alle Jünger und flohen!“ (Marc. 14, 50.) So hat der Herr neben der Heimatlosigkeit und der Fremde, da ihn niemand verstand, die Erfolglosigkeit und den Unverstand gelitten, da ihn niemand recht verstehen wollte. Wie schwer muß es für Jesum gewesen sein, wenn er über die größten Geheimnisse mit seinen