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was er ist, der alle Rollen und Masken und alles Angelernte und Angewöhnte abwirft und lieber arm erscheint und echt, als Schein und Lüge zu sein. Diese Unwahrheit des inwendigen Menschen, der immer ein wenig höher von sich selbst hält, als es ihm gebührt, und immer bei andern mehr gelten will, als er wirklich ist, der wenigstens eine einzige Seele haben muß, die er täuscht, auch das alles hat der Herr Jesus erfahren, erfaßt, erlebt und erlitten. Frage dich selbst, ob du nicht einen Menschen hast, dem du dich täglich oder so oft du mit ihm in Berührung kommst, besser erbietest, als du bist. Du jauchzest in deinem Innern und meinst, es hat dir solches dein besseres Ich geraten, in Wahrheit aber war es dein größter Feind, der dich dahinbrachte, einen besseren Eindruck von dir zu erregen und zu hinterlassen, als es dir zukommt. Denke dir nur, der Heiland wäre an diesen geheimen Künsten der Menschenseele vorübergegangen, hätte sie nicht beachtet, nicht gekannt, nicht getragen, nicht gelitten, so müßtest du an diesem Scheinleben sterben. Denn niemand kann vor den Heiligen kommen, der vor ihm eine Rolle spielen will, und niemand wird Gott schauen, der nicht den Mut der Selbstvernichtung hat. All dieses fällt vor ihm nieder und du stehst vor ihm in deiner ganzen Ärmlichkeit. Warst du dir selbst ein Schmerz – dann wohl dir, du hast es gut; warst du dir eine Freude, so mußt du an dir sterben. Jesus hat alle diese gemeinen Intrigen, in denen die Menschenseele sich gefällt, erlitten.

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 Siehe, du bist vielleicht klug geworden durch manche Enttäuschung und hast nun beschlossen, fortan nicht mehr andere, aber dich selbst anzulügen. Du hast gemerkt, andere durchschauen dich; verbittert und klüger geworden, ziehst du dich auf dich selber zurück und nun hast du dir eine ganz geheime Werkstätte errichtet mit tausend Spiegeln und tausend Schminken und mit der Fülle der feinsten Ausreden. Und in dieser Werkstätte lebst und lobst du und lobst dich selbst. Wenn der Heiland nicht in diese geheimen Fäden