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kommt es an, daß du sagen kannst: „ich habe in deinem Reiche unter dir gelebt.“ Du allein warst die Autorität, die mein Wesen bestimmte; du warst die Größe, die mein Denken beherrschte, du warst der Inhalt meiner Worte und du warst das Ziel meiner Wünsche; nach dir ging mein Heimweh, und von dir kam meine Hilfe. Ich habe gelebt, so wie du mich gelebt hast, als du mich littest, bis du am Kreuzesstamm meine Schande gebüßt hast: so habe ich dich erlebt, dieweil ich dich liebte, und habe dir gelebt, so gut ich es vermochte. Es war mein ganzes Wesen darauf gerichtet, daß aus meiner armen Art ein Leben herausglühte, von dir geboren, Leben herausströmte, von dir geweckt. Ich lag da, – hartes Gestein, unschön und unscheinbar, ohne Wesen und ohne Wille; da hast du mit deinem Worte mich berührt und mit deinem Blick den Stein geschmolzen. Da ging viel Kraft heraus, und ich wurde nicht müde. Denn nicht der Mensch wird müde, der da lebt, sondern der Mensch wird müde, der nur zu leben scheint. Nicht der Mensch wird matt, der seine Kraft in Christi Nachfolge verzehrt, sondern der wird matt, der seine Kraft an die trügerische Welt vergeudet.

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 So, meine Geliebten, hebt die Passion des Gebenedeiten an. Über ihr steht: „du hast mir Mühe gemacht mit deinen Sünden und hast mir Arbeit gemacht mit deinen Missetaten.“ (Jes. 43, 24.) Aber dieses „du hast“ ist jetzt die Glorie des Sieges: „ich habe die Welt überwunden.“ (Joh. 16, 33) Und über unserer Passion steht: „ich gebe dir mein Herz zum Opfer, darum werde ich nicht müde, sondern ob auch mein äußerlicher Mensch verwest, wird doch der innerliche von Tag zu Tag verneut.“ (2. Kor. 4, 16.) Denn je mehr du für Jesum lebst, desto mehr lebst du von Jesus, und je mehr du von Jesus lebst, desto stärker wirst du. Und wenn sie sagen: „jetzt ist dein Leben aus“, spricht ein Anderer: „nein, ich lebe, und er soll auch leben!“ (Joh. 14, 19.) Und wenn sie an deinem Grabe stehend sprechen: „nun ist es vorüber!“ spricht er: „siehe,