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in Gedanken arbeitet, desto mehr wird auch sein Gesicht durchgeistigt. Leute, deren Leben nur für Essen und Trinken bestimmt ist, haben noch nie ein durchgeistigtes Antlitz gehabt: „Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist.“ (Joh. 3, 6.) Aber wenn ein Mensch mit hohen, ernsten Gedanken umgeht, diese in sich trägt und sich von ihnen tragen läßt, dann prägen sie sich in ihm aus; seine Augen strahlen sie wieder, von seinem Munde kann man die Gedanken lesen, auf seiner Stirne thront ihre Majestät. Wenn das von einem sündigen, leicht fallenden Menschen möglich ist, was will es dann heißen, daß Gott von aller Ewigkeit her einen Gedanken gefaßt hat, ganz seiner würdig, ganz ihm angemessen, ganz von ihm erfüllt und ganz von ihm beseelt, und daß er diesem Gedanken ein Wort verleiht, und dieses Wort ist sein Sohn. Ich weiß, damit ist nichts erklärt, aber vielleicht denkst du darüber nach. Gott hat von Ewigkeit her sich selbst schauen müssen, damit er nicht in einsamer Starrheit und in starrer Einsamkeit vergehe, und da er sich selbst schaute, schaute er sich in seinem Sohn, und indem er sich schaute, ward sein Sohn, vom Vater vor aller Ewigkeit geboren, eines Wesens mit dem Vater. Wie das Licht sich in der Flamme und die Flamme sich in der Wärme darstellt, so hat Gott – es sind zwar nur armselige Bilder dafür – in der Ewigkeit seinen Sohn geboren. Das ist die glorreiche Herkunft Jesu Christi. „Du hast mich geliebet, ehe der Welt Grund gelegt ward“, spricht der Herr vor seinem Scheiden aus dieser Welt (Joh. 17, 24). Wenn Gott liebt, so hat er im letzten nur das ihm Wesensgleiche lieb, und indem er liebt, hat er das Wesensgleiche geboren.

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 „Vom Vater geboren.“ Ich weiß es, das Wort „geboren“ trifft nicht zu; es ist nur stückweise erklärt, droben werden wir es anders erkennen. Auch das Wort ewiger Gedanke und ewiges Wort trifft nicht ganz. Aber solange wir es nicht besser wissen, bekennen wir