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dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne und nähme Schaden an seiner Seele?“ (Mark. 8, 36.) Ich aber habe zwar nicht eine ganze Welt gewonnen, aber ein wenig Ehre, ein wenig Glück und ein wenig Gunst und ein wenig Freude, und für dieses Wenige habe ich meine Seele geopfert. Ich gab sie hin, denn sie war mir nichts; ich gab den Glauben meiner Kirche hin, denn er bedeutete mir nichts; ich opferte, was meine Väter froh und friedlich gemacht hat; denn es ist mir nichts von Gewicht gewesen. Um ein Linsengericht verscherzte ich meiner Väter Erbe. Das heißt man verkauft sein. Und nun geht der Handel zu Ende, der Markt wird leer, und auf dem Markt des Lebens bleiben zwei zurück: eine verkaufte und verdammte Seele und ihr Herr, ihr Eigentümer, das ist ihr Feind, der mit etlichen Rechenpfennigen eine unsterbliche Seele erkaufte, das ist ihr Verkläger, der ihr tausendmal vorgesagt hat: „Sünde ist nur Schwachheit.“ Und jetzt sagt er ihr: „Schwachheit ist Sünde.“

 Wen suche ich, der Hilfe tut, auf daß wir Gnad’ erlangen? Wer soll den Verkauften losmachen und den also um einen geringen Preis Gegebenen befreien? Da tritt aus dem Mittel einer, der nicht Goldgülden und nicht Silbermünzen aufwiegt und der zahlt, nicht Erdenschätze und Kleinodien, ob sie ihm gleich alle zu Gebote stehen, anbietet, sondern der einfach auf sein heiliges Leiden hinweist und spricht: ich habe mein Blut für diesen Verkauften vergossen.

 Und so erwirbt er mich. Zuerst wirbt er um mich aus der Ferne, indem er am Kreuzesstamme um mich leidet; dann tritt er näher heran und feilscht um meine Seele mit ihrem Gebieter. Und da der Gebieter höhnend spricht: „Wenn dir diese Seele so viel wert ist, so gib dich selber zum Lösegeld an,“ besinnt er sich nicht, sondern opfert sein heiliges, teures Leben und gibt seine Ehre, seinen Ruhm und seine göttliche Majestät und seine Heimat dar.