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der Welttrunkenheit über die Völker einen Bann von träger Ruhe senkt, dann erscheint er, nicht erwartet, nicht geahnt, aber er kommt.

 Von dannen er kommen wird: er, wohlbereitet – in eine unbereitete Welt; er, wohlgerüstet – in eine nichtsahnende Zeit; er, ganz auf das Kleinste bedacht, wie auch mit dem Größten versehen – in eine unruhvolle, ungeordnete, dem Schlafe und dem Traum der Sicherheit willenlos ergebene Zeit. – Wie ist es dann mit deiner Seele? Wie steht es dann mit deinem inwendigen Menschen? Wenn du dich abends zur Ruhe begibst, sprichst du: wenn du diese Nacht bei mir anklopfest, bei mir einkehren und zu mir kommen willst, siehe, meines Herzens Pforten sind dir offen, komme herein?

 Wenn du abends von einer Gesellschaft heimkehrst und dich manch eines unbedeutenden, unklaren oder – Gott verhüte es – unguten, unreinen Wortes schuldig erkennst, wenn dein Herz so leer an Großem und so groß an Leere dir erscheint, und deine Seele so weit geworden ist von all der Halbheit und Hohlheit und du bist so gar nicht innerlich gefaßt und gefestigt, sprichst du noch, ehe es zum Schlafe geht: „allen Seelenschaden deck, Jesu, nun in Gnaden mit deinem Purpurmantel zu!?“

 Siehe, es ist etwas so Wundersames: während du schläfst, steht Jesus vor der Türe deines Herzens; immer wieder tritt er zurück. Das ist sein Erbarmen; denn er weiß, er trifft dich unvorbereitet; er verzieht, denn er weiß dich ungerüstet. Aber einmal kommt er eben doch und tritt ein, und deine Seele ist nicht geordnet, und dein Herz ist nicht bereitet, und dein Wesen ist nicht geheiligt, und er findet keinen Platz bei dir. Das ist es: Jesus wird kommen; bin ich bereit? Bereit sein, reif sein ist alles! „Bin ich bereit?“ Wenn ich so frage, so ist im tiefsten Grunde meiner Seele eine unausfüllbare Kluft, eine unaustilgbare Angst, die nur Einer ausfüllen, und die nur Einer wegtilgen kann: er allein.