Seite:Hermann von Bezzel - Der 2. Glaubensartikel.pdf/131

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Gemeinde eingetreten ist, für uns betet; auf denen die großen Anliegen, die von der Zeit in die Ewigkeit hinübertönen, die großen Fragen der Weltanschauung dem himmlischen Vater erklärt werden, die er sonst nicht verstünde. Denn so gewiß Gott den Menschen ein Rätsel ist, so gewiß ist der Mensch der Sünde dem Herrn ein Geheimnis, der es nie fassen kann, wie ein Mensch außerhalb der Sonne leben mag, wie eine Seele außerhalb Gottes existieren kann. Da setzt des Sohnes barmherziges Mitleid und seine fürbittende Sprache ein: „Vater, gedenke an den, den die Sünde betört hat, vergiß dessen nicht, den allerlei Schein und Schatten berückt hat, laß dir das Los dessen zu Herzen gehen, der das Geschaffene dem Schöpfer vorzog und der an dem Irrlicht sich mehr erquickt, als an dem Ewigen.“ Wenn du, o Menschheit, deinem Gott ein ewiges Rätsel bliebest, so würde er dich auch nicht zu lösen versuchen, sondern du müßtest in den Abgrund aller Ratlosigkeit versinken. Da ist’s Christus, der das Rätsel des Menschentums gelöst hat, indem er es erlitt. Da ist er, der dem Vater Aufschluß geben kann, wie sich ein Mensch ohne ihn ängstet. Darum: Jesus kommt von den Bergen der Hilfe.

 Und er kommt vom Throne der Gnade. Wenn die Gnade ohnmächtig wäre, wäre sie guter Wille, aber nicht dein Heil; wenn die Gnade nicht mit der Allmacht vermählt wäre, wäre sie gute Meinung, aber nicht deine Rettung. Was hilft mir eine Hand, die sich nach mir täglich ausstreckt, und wenn ich sie fasse, ist sie welk und schwach! Was hilft mich der Arm, der meine Last zu tragen sich erbietet, und, wenn ich erstmals ihm die Last vertraue, kraftlos niedersinkt! Was hilft mich ein Freund, der meine Schuld zu zahlen verheißen hat und, wenn ich nun anhebe, meiner Schulden Größe ihm zu bekennen, bei dem ersten Posten der unbeglichenen Rechnung schon erschrickt: das vermag ich nimmermehr!

 Christen! Eine Gnade ohne Gewalt, ein Erbarmen ohne Kraft, eine Gütigkeit ohne Willensstärke sind eigentlich schlimmer