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Rede der Finsternis, da man nicht die Stimme des Gottessohnes hört: „Ich bin das Licht der Welt!“ (Joh. 8, 12.) Da ist kein Abgrund so unwegsam und so tief, so jäh und so steil, den er nicht gefunden, und gesprochen hätte: „Ich bin der Weg!“ (Joh. 14, 6.) Da ist keine Lüge so mit der Schminke der Wahrheit geschminkt und keine Falschheit so mit den Kräften der Lüge begabt, und nichts von Schein und Schatten, von Trug und Täuschung, da er nicht majestätisch hineingeredet hätte: „Ich bin die Wahrheit!“ (Joh. 14, 6.) Nun reißen die Nebel auseinander, und die Finsternis muß ihre Zusammenhänge meiden, und die unwegsamsten Pfade der Hölle werden gebahnt, und die Kräfte der Lüge werden gelähmt: „Jesus ist Sieger!“

 Was ist das für ein Trost: am Kreuze erhöht, damit er die Finsternis bestehe, in die Nacht hinabgesenkt, damit die Nacht nicht Nacht bleibe, in die großen Gegensätze der Reinheit, der Heiligkeit, des Lichtes, der Herrlichkeit hineingelebt und hineingelitten, damit er sie endlich überwinde! Und wie dir das dein Trost sein soll, wenn du ratlos vor den Pforten der Finsternis stehst, und wenn sie überall hereinquillt und herandrängt in dein Leben; wie das deine einzige Zuversicht sein muß, wenn du dich gar nicht mehr auskennst vor der Gewalt der Lüge, die dich umgibt und umtost, so ist das dein anderer Trost: kein Licht, kein Ort, den die Sonne der Gnade erhellt, kein Raum, über den der Glanz des Himmels ausgegossen ist, den der Herr nicht bei seiner Himmelfahrt besucht hätte. Was wäre auch aller Glanz ohne ihn! Er wäre frostige Klarheit der winterlichen Sonne, die das Leben nicht weckt, sondern tötet, kalte Unnahbarkeit einer nur scheinbaren Lichtquelle und Lichteswelle, in deren Wehen und Walten alles erstirbt. Was wäre ein Glanz, in den Jesus nicht das Leben hineinbrächte, und ein Licht, in das er nicht die Liebe hineingösse, und alle Herrlichkeit, in der nicht seine Leutseligkeit erschiene?