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ihm gegebenes, nicht ein originäres war, haben sie eben um seiner Herkunft willen dem Worte ihr ganzes Herz erschlossen und bewahrt, es als ein Wort ewigen Lebens erkannt und bekannt, auch seine Göttlichkeit erfahren, indem sie an seiner Menschlichkeit nicht sich stießen. Andre hätten sich von Jesu geschieden, weil er nur Gegebenes weiter gab, nichts „Eigenes“ bot, ihnen ward er um so größer je weniger er aus sich allein sprach und von sich allein.

 Dadurch aber ist ihnen die Erkenntnis licht aufgegangen und groß geworden, daß Jesus von Gott ausgegangen sei, nicht bloß von ihm gesandt war. Von Gott gesandt war Moses und der Chor der Propheten, jeder Zeuge der Wahrheit (Mark. 12, 2. 4. 5), aber nur einer (Mark. 12, 6) war von ihm ausgegangen als mit Gott wesenseins und ihm gleich. Die Jünger hatten Mose und die Propheten und konnten dieselbigen hören, aber alle traten hinter dem einen (Matth. 17, 3–8) zurück, von dem Petrus, freilich mehr ahnend als klar wissend sagen konnte: du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.

 Diese Erkenntnis ist stufenweisen Fortschritts nach ihrem Ausdruck fähig, ja bedürftig. Die Intuition schafft Worte, denen die Reflexion langsam nachkommt. Überwältigt ruft Thomas: Mein Herr und mein Gott. Wie langsam aber schreitet die begriffliche Darlegung nach! „Die Herzenserkenntnis eilt voraus vor der Verstandeserkenntnis.“ Was unsre alten Väter so gerne die fides directa nannten, die Kindern und Blöden eigne, ist der das Herz unmittelbar, wie ein Blitzstrahl hell die Umwelt erleuchtend, treffende Strahl des heiligen Geistes, dessen unfaßliche und überbegriffliche Gewalt dem „wahrhaft“ in Jesu Worten nicht widerspricht, es vielmehr verbürgt.

 So kommt alles darauf an, daß das von der Jesusgröße überwältigte Herz fest, daß die Unmittelbarkeit des von seinem Worte, Werk und Wesen ausgehenden Eindrucks zum Vollbesitz werde, der begrifflich und in der ihn ganz erschöpfend darlegenden Klarheit schwer und langsam, ja nie ganz dargestellt werden kann, aber je mehr er vom Innersten Besitz nimmt, desto einfacher zum Wort kommt und desto einfachere Worte prägt. –

 Mit dem achten Verse hat der scheidende Meister und Herr den Bericht über das an den Jüngern Erreichte geendet. Vor der Welt war es so wenig, daß sie des Erreichten selbst am Pfingsttage spottet und bis zur Stunde darüber sich wundert, wie wenig das Gewonnene zu der dargebotenen Mühe im Verhältnis steht. Etliche Unwissende, einige Schwärmer, rasch entflammte Frauen haben sich finden und gewinnen lassen, aber die andren gehen unbewegt und unerfaßt ihren Weg weiter.

 Jesus sieht tiefer. Er kennt das allmähliche Walten und Wirken des Sauerteigs und die stillen unbemerkten Vorgänge im Keimen und Wachsen der Pflanze. Unser Glaube, läßt er seinen Lieblingsjünger