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Güte ist. Götter ringsum, aber sie beschweren die Seele und lassen das Herz leer, sie verheißen und halten nicht, sie verlangen und geben nicht. Götter ringsum, die den fernen Blick täuschen, aber vor dem genauen nicht zu bleiben vermögen, lichte Gestalten, deren Schein betört, und deren Wesen zerstört.

 Du allein bist wahrhaftig gut. Denn in dir lebt die Seele, die an allem andren stirbt. Wenn jener einen großen Gedanken wünschte, davon er leben möge, du bist der einzige Gedanke, der das Herz erfüllen soll, die einzige Wirklichkeit, die es erfüllen kann.

 Ich aber sehe dein Wesen und seine Klarheit, vernehme dein Wort und seine Wahrheit, blicke in dein Herz und seine Güte durch den von dir gesandten Jesum, den du mit deinen Gaben gesalbt hast, so daß von seinem Antlitz die volle Klarheit erscheint.

 Er hat sich den Seinen ganz nahe getan, damit sie in seiner sehbaren und nicht unnahbaren Menschheit die Tugend und die Herrlichkeit des unsichtbaren Gottes erschauen möchten: denn wer ihn sieht, der sieht den Vater. Er ist als Jesus gesandt worden, ein Arzt der Schwachen, ein Helfer der Müden, ein Heiland der Verlassenen. Wie der Vater den hehren Gottesnamen erst durch sich zu rechten Ehren gebracht und alles Große und Gewaltige, Herrliche und Heilige, Gütige und Gnädige, was ein Menschenherz mit tiefster Sehnsucht wünscht, in sich verwirklicht und beschlossen, in sich dargestellt hat, so hat der viel gebrauchte Name Jesus erst in dem mit dem heiligen Geiste Gesalbten seine eigentliche Erfüllung gefunden.

 Zwar sind viele dieses Namens gewesen, dieweil sie der Tod nicht bleiben ließ. Aber der von Gott gesandte Jesus, der den heiligen Geist ohne Maßen empfangen hat, der mit dem Geist der Weisheit und Lindigkeit, mit dem Geiste des Gehorsams zum Tun und Leiden, mit dem ratsamen und hilfsbereiten Geiste erfüllt war, hat den Namen ganz nach allem, was man von ihm erwartet, zur Erfüllung gebracht. Er ist Helfer und Hilfe, Heiland und heilig, Arzt und Arznei.

 Ihn erkennen und in ihm den Vater, das ist eine Pflicht, die ein ganzes, auf Erden anhebendes und weit über sie ausgreifendes Leben beschäftigt, aber auch ein seliges Recht, das jede Stunde bereichert und von der Ewigkeit nicht ausgebraucht wird.

 Wir wissen vom ewigen Leben so wenig, daß uns vor seiner gähnenden Leere graut und vor seiner erhabenen Langweiligkeit, wie einer gemeint hat, Angst anwandelt. Hier zeigt Jesus, wie unübersehbar groß, wie unausschöpflich reich, in die Weite wie in die Höhe, in die Tiefe und Ferne gehend das Leben ist. Denn Leben ist Erleben. Wie aber kann das, was die Ewigkeit beschäftigt und aus ihr auf die Erde gereicht hat, von dem kurzen Leben der Erde ganz erfaßt werden!

 Um Ewigkeiten zu erleben, bedürfen wir ihrer, und, um in ihnen zu leben, muß unser Herz, Mut und Sinn ewig werden. Wahrlich,