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Varianten geprüft, die ursprüngliche und grundmäßige Bedeutung der Worte des Neuen Testaments festgestellt und so zu seinem anbetenden und ehrfürchtigen Erstaunen die heilige Einfalt, die wundersame Übereinstimmung – omnia inter se quadrant, alles fügt sich aufs beste ineinander –, die heilwertige Kraft der himmlischen Begriffe festgestellt. Als er am 8. September 1741 den Gnomon, dieses unübertreffliche Werk ernster Treue und frommer Gewissenhaftigkeit, vollendet hatte, dem so voneinander entlegene Persönlichkeiten wie Wesley und Rudelbach, Ihr Beck und unser von Hofmann das höchste Lob spenden, dem Generationen von Theologen auf der Kanzel und Generationen unter ihr den Einblick in Gottes heiliges Wort verdanken, brach er in die Worte aus: „Höchster Formierer der löblichsten Dinge, der du mich Armen so ferne gebracht.“ Wie groß und klar ist das Wort, dieser fons limpidissimus, der kristallklare Quell, der bald vernehmbar durch die Gefilde rauscht, bald still wie der Tempelquell einhergeht, immer getragen von dem tiefstinneren Zeugnisse des Heiligen Geistes an das Menschenherz! Die Lehrschriften der Kirche werden von ihm genährt, dämmen ihn nicht ein, an ihm geprüft, nicht ihn beengend, ganz wie die Konkordienformel lehrt. Die Schrift, die gesamte Heilige Schrift ohne Zutat und Abstrich (Offb. 22, 18 und 19), hält die Kirche aufrecht, solange und weil diese die Schrift bewahrt. (Offb. 3, 10.) Wenn die Kirche von der Treue gegen die Schrift läßt, fällt ihre Ehre dahin.

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 Wir stehen in dieser schriftwidrigen Zeit des Welt und Kirchentags. Die religionsgeschichtliche Betrachtung der Schrift findet allenthalben Anklänge, Vorgänge, Anleihen, Unechtheiten, Ungereimtheiten, und die heiligen Männer Gottes waren mittelmäßige Skribenten, die der Volksbildung ebensowenig kundig waren, als sie die Bedürfnisse der Menschheit recht verstanden. Viel größer sind die Ursprünglichkeiten der vorchristlichen Denker und Redner. Die Echtheit der Jesusaussagen wird um einer vorgefaßten Meinung willen bezweifelt und bestritten, nachgewiesen, daß und warum er nicht so gesagt haben kann, und angedeutet, wie er gesagt haben könne. „So redete ich von ungefähr, wenn ich der Evangelist Matthäus wär’“ – spottet selbst Goethe. Und was echt ist – viel bleibt in dieser Palästra des Scharfsinns

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Hermann von Bezzel: Albrecht Bengel. Verlag der Evang. Gesellschaft, Stuttgart 1916, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Albrecht_Bengel.pdf/13&oldid=- (Version vom 9.9.2016)