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(grausam) Siehst du, Issar, den dicksten Baum werde ich für dich anzünden und deinen Leib lebendig darauf rösten, wenn deine Zunge wider mich redet!

Issar (mit düsterem Blick): Ich schweige, König.

Belsazar: Zu rechter Zeit, mein Freund... Heda, Nebo, wo bleibt der Wein?

Nebo: Herr, der Wein ist bitter geworden wie Galle. (er stürzt zu Belsazars Füßen) Ich weiß nicht Herr, was damit geschehen ist... Gnade, o König!

Belsazar (zuckt zusammen): Bitter, sagst du? (stammelnd) Der Wein? Schafft ihn fort und hole andern! Was seid ihr so stumm, was starrt ihr so? (sein Blick fällt auf Rahel) Ach, Täubchen, bist du noch da? (er will sie umfassen) Komm, küsse mich, deine Lippen sind rot wie Purpur... rot wie... (er schaut sich entsetzt um) Was sagte er? Anderer Purpur wird die Stufen säumen? Was meinte er damit? Jüdin, weiß du, was er meinte?

Rahel sieht ihn furchtbar an.

Belsazar: In deinen Augen liegt eine Drohung... du sollst nicht nach dem Thron blicken... Mein Mantel liegt darauf... es ist nur mein Mantel... er ist rot wie Blut... und seine Falten fließen auf die Stufen nieder (er schaudert zusammen) Issar, gib mir meinen Mantel, leg ihn mir um die Schulter – so – horch, Issar, wie der Sturm heult... Ich will Wein trinken, mich friert... Nebo! (er sieht Nebo an) Wie starr ist dein Angesicht, Nebo! Auch du schaust nach dem Thron... Nein, mein Mantel ist fort, – kein Purpur fließt mehr über die Stufen... aber gib mir Wein, roten Wein. (es wird ihm ein voller Becher gereicht; er nimmt ihn und gießt den Inhalt über die Stufen des Thrones. Jauchzend) Seht ihr, seht ihr? Jetzt fließt Purpur über den Thron – o Prophet, deine Worte waren billig... Jude, ich lache deiner!

Rahel starrt ihn mit weit aufgerissenen Augen an und verfolgt jede seiner Bewegungen.

Belsazar (nähert sich wieder Rahel): Ein Gaukler ist dein Prophet! Sieh mich nur an mit deinen Augen voll Haß... laß sie funkeln wie Flammen... ein Gaukler ist er... da, da fließt der Purpur, den er prophezeite... (er erblickt die goldenen Tempelgeräte, die vor dem Thron liegen, und bricht in rasende Wut aus. Er zertritt sie mit den Füßen) Da, da, siehst du, so zertrete ich die Heiligtümer deines Tempels, – da, da, ich speie darauf... ich verlache deinen Gott... Sei verflucht, Jehovah! (Rahel stößt einen furchtbaren Schrei aus und eilt mit aufgehobenen Händen nach rückwärts. – Die Feldhauptleute beginnen lauter und lauter zu murren. – Belsazar steht mit geballten Fäusten und irren Blicken)

Rahel (mit starker Stimme den Lärm übertönend): Tötet ihn! tötet ihn! Er hat Gott verflucht! (die Feldleute dringen auf Belsazar ein, der abwehrend die Hände ausstreckt) Tötet ihn, tötet ihn, den Verruchten, den der Herr gezeichnet hat! Tötet den Gotteslästerer!

Belsazar (mit entsetzter Stimme): Rahel!

Rahel (noch einmal, alles übertönend): Tötet ihn!

Belsazar sinkt zu Tode getroffen an den Stufen des Thrones nieder.

Rahel stößt einen lauten Schrei des Triumphes aus.


Vorhang.


Empfohlene Zitierweise:
Hennie Raché (1876–1906): Belsazar. Drama in 1 Akt.. , 1904, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hennie_Rach%C3%A9_Belsazar_140.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)