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Traum und Leben.


Es glühte der Tag, es glühte mein Herz,
Still trug ich mit mir herum den Schmerz.
Und als die Nacht kam, schlich ich fort
Zur blühenden Rose am stillen Ort.

5
Ich nahte mich leise und stumm wie das Grab;

Nur Thränen rollten die Wangen hinab;
Ich schaut’ in den Kelch der Rose hinein, –
Da glomm’s hervor wie ein glühender Schein. –

Und freudig entschlief ich beim Rosenbaum;

10
Da trieb sein Spiel ein neckender Traum:

Ich sah ein rosiges Mädchenbild,
Den Busen ein rosiges Mieder umhüllt.

Sie gab mir was hübsches, recht goldig und weich;
Ich trug’s in ein goldenes Häuschen sogleich.

15
Im Häuschen da geht es gar wunderlich bunt,

Da dreht sich ein Völkchen in zierlicher Rund.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Gedichte. Maurersche Buchhandlung, Berlin 1822, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heine_Gedichte_1822_140.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)