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als beleben, wenn nicht der Verstand heranhinkte, und die überflüssigen Blumen bey Seite schöbe, oder mit seiner blanken Gartenscheere abmähte. Der Verstand übt nur Ordnung, so zu sagen die Polizey im Reiche der Kunst. Im Leben ist er meistens ein kalter Kalkulator, der unsere Thorheiten addirt; ach! manchmal ist er nur der Fallitenbuchhalter des gebrochenen Herzens, der das Defizit ruhig ausrechnet.

Der große Irrthum besteht immer darin, daß der Kritiker die Frage aufwirft: was soll der Künstler? Viel richtiger wäre die Frage: was will der Künstler, oder gar, was muß der Künstler? Die Frage, was soll der Künstler? entstand durch jene Kunstphilosophen, die, ohne eigene Poesie, sich Merkmale der verschiedenen Kunstwerke abstrahirten, nach dem Vorhandenen eine Norm für alles Zukünftige feststellten, und Gattungen schieden, und Definizionen und Regeln ersannen. Sie wußten nicht, daß alle solche Abstraktionen nur

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Heinrich Heine: Der Salon. Erster Band. Hoffmann und Campe, Hamburg 1834, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heine_Der_Salon_1.pdf/64&oldid=- (Version vom 1.8.2018)