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Batterie den durch Zuzug sich vermehrenden und stärker vordringenden Feind zurückzuwerfen, allein dies gelang nicht; vielmehr bemächtigte sich dieser, wenn auch langsam, des nach Dresden zu gelegenen Gartentheiles[1].

In diesem Stadium des Kampfes wurde für die Bewohner von Reisewitz, um dessen Besitz sich jetzt alles drehte, der Aufenthalt im Keller auf's höchste bedenklich. „Wir müssen uns hier vertheidigen! Macht, daß ihr fortkommt, keine Rettung mehr für Euch! Entfliehet!“ so tönten die Stimmen der eindringenden österreichischen Soldaten wirr durcheinander. Da überdies auch der Wirth Baumann Dinge beschaffen sollte, die gar nicht mehr vorhanden waren, und er deshalb sich allerlei Mißhandlungen ausgesetzt sah, entschloß er sich mit den Seinen zur Flucht, von der er wörtlich Folgendes erzählt: „Kommet herauf, rettet das Leben; laßt uns fliehen, Gott wird uns schützen! so rief ich in den Keller hinunter. - Bleiche Leichengestalten kamen nun aus dem Dunkel mir entgegen gestiegen, und mein Arm umfing und umfaßte die Theuren alle. Vor dem Hause, nach der Gartenseite zu, standen gegen 200 Mann Reserve. Mit wüthender Hand machte ich Platz, und selbst diese rauhen Krieger ehrten im Weichen diese nun unglückliche Familie. Unter den alten Kastanienbäumen machten wir Halt. Prasselnd stürzten zwar die Aeste herab, doch die Angst, die Zerstörung, die uns versagte Besonnenheit ließen uns kaum dies bemerken. Plötzlich rief meine Gattin: „Gott, ein Kind fehlt!“ Wie von einem electrischen Schlage erbebte unser Aller Innerstes. Noch einmal durchbreche ich die feindlichen Glieder, durchsuche alle Zimmer, obschon sie von den abgefeuerten Gewehren von Pulverdampf angefüllt sind. Die erstarrten Augen sahen noch einmal die Greuel der Plünderung. Endlich, nach langem Suchen, tief im Winkel des Kellers versteckt, finde ich die Kleine. Vorwärts! rief ich den Meinen zu, als wir sie glücklich erreicht hatten. Regengüsse stürzten dabei über uns schlecht Bekleidete in Strömen herab, als wir, wie das vom ruhigen Lager gewaltsam aufgescheuchte Wild, von Baum zu Baum flohen. Gott lob! riefen wir aus tiefer Brust, als wir das Gartenpalais erreicht hatten; dicke Mauern werden uns da schützen; doch über uns sausten die Kugeln, senkten sich und das Gebäude erschütterte. Als vollends die Oesterreicher hereindrangen, konnte unsers Bleibens hier abermals nicht länger sein. Im Geheul und Geschrei der Kinder, in der vermehrten Menge der Flüchtlinge betreten wir die Brücke; aber da war uns der Uebergang verwehrt: Reserven hatten sich Mann für Mann da aufgestellt. Die menschenfreundlichen Gesinnungen des Offiziers, die herzangreifende Scene selbst verschafften uns Platz, und glücklich gelangten wir ans jenseitige Ufer. Wir eilten nach dem Grunde, über uns flogen noch die Kugeln, dazu erstarrten des Vaters und der Mutter Arme; ach, die Lasten der getragenen

  1. Aster, S. 301 u. 302.