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die, aus 110000 Oesterreichern, 77000 Russen und 49000 Preußen zusammengesetzt, unter dem Oberbefehl des österreichischen Feldmarschalls Fürsten von Schwarzenberg nach dem anfänglichen Operationsplane Leipzig besetzen sollte; als man aber hörte, Napoleon habe sich mit dem größten Theile seiner Macht von Dresden nach Schlesien begeben, wurde von den Verbündeten beschlossen, die genannte, vom Feinde nur schwach besetzte Stadt während der Abwesenheit des französischen Kaisers einzunehmen. Auf 4 verschiedenen, ziemlich auseinander liegenden Straßen näherte sich vom 23. August die böhmische Hauptarmee der sächsischen Residenz und umschloß dieselbe, die südwärts gelegenen Höhen besetzend, in einem weiten Halbkreise von etwa 3 Stunden Ausdehnung[1]. Am Spätnachmittag des 23. August näherten sich dem Dorfe Plauen von Boderitz her die Truppen des russischen Generalmajors Fürsten Kudaschow[2] und veranlaßten die schon erwähnte Retirade, die sich nur dadurch erklären läßt, daß die polnischen Soldaten zum größten Theile Recruten, also des Kämpfens ungewohnt und daher auch leichter zu verblüffen waren.

Bei der Schnelligkeit, mit der der Abzug der Polen vor sich ging, hatten diese nicht nur einen Theil ihrer Effecten, sondern auch die Regimentskasse mit 6000 Thlr. zurückgelassen. Der Wirth Baumann von Reisewitz, der bei Durchsicht seiner Hausräume dieses Geld vorfand, ließ es unberührt, obgleich er ein gewisses Recht hatte, sich davon für die seiner polnischen Einquartierung geleisteten Dienste bezahlt zu machen. Das Sonderbarste bei der Sache dürfte der Umstand sein, daß die Polen kurze Zeit nach ihrem Wegreiten noch einmal, und zwar mit gezogenen Säbeln in ihr altes Quartier zurückkehrten, - um sich zum letzten Male am Anblicke ihrer zurückgelassenen Schätze zu weiden. „Ich begreife heute noch nicht“, sagt Baumann „warum sie es nicht wagten, diese in Sicherheit zu bringen; die Straße nach Friedrichstadt war sicher, und 2 Mann Bedeckung reichten vollkommen zur Begleitung hin. Wollten sie sich die Berechnung ersparen? Opferten sie deswegen das nicht unbedeutende Eigenthum der Einzelnen, oder glaubten sie nicht an das Gewaltsame des zu Geschehenden? Genug, sie besahen abermals ihre Schätze und ritten wieder fort“[3].

Fast gleichzeitig mit den polnischen Soldaten flüchteten, nach den mündlichen Angaben eines anderen Augenzeugen jener Tage, auch die meisten Bewohner Plauens. Die Landleute der Dresdner Umgegend zollten rücksichtlich des Benehmens den Preußen stets das beste Lob; die Oesterreicher wurden schon mißtrauisch betrachtet, dagegen waren die Russen ihrer unersättlichen Beutegier und maßlosen Rohheit wegen überaus gefürchtet. Durch diesen Umstand wird auch die Angst erklärlich, die unsere, im Verlaufe des Jahres wiederholt schwer heimgesuchten Ortseinwohner ergriff, als sich Kosaken sehen ließen. Mit

  1. Aster, S. 129, 130.
  2. Ebenda S. 134.
  3. Baumann, S. 64-66