Seite:Harz-Berg-Kalender 1939 060.png

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du auf dieser Seite.




Ich mache einen neuen Laden auf.
Von Reinecke-Altenau.


     Es geht wirklich nicht mehr anders. Man muß sich nach was umgucken, das mehr einbringt als die Pinselquälerei.

     Ich hatte schon an Gelegenheitsgedichte gedacht. Zum Beispiel Hochzeitsgedichte machen und so. Eins habe ich neulich schon mal angefangen:

     Heut' an diesem Feste strahlt des Bräutgams weiße Weste…

     Der Besteller blieb leider aus. Deshalb ließ ich es liegen. Ein Eventualinteressent meinte, das Gedicht finge zu anzüglich an. Er hätte schon die Nase voll. – Sowas lohnt sich wohl überhaupt nicht heutzutage. Ich will die Finger davonlassen.

     Aber irgendwas muß geschehen, muß!

     Ich bin bereits sämtliche Berufe durchgegangen, um eine Zaunlücke zu entdecken, die meinem Genius ein aussichtsreiches Wo-hinein-Schlüpfen gestattet. Alles faul. Und ich säße heute noch mit dem dicken Kopfe da, wenn einem nicht zuweilen ein gütiges Geschick auf die Beine hülfe, respektive einen mit der Nase auf was drauf stieße, bei dem einen dann ein Talglicht aufgeht und man strahlend ruft: Donnerwetter, da ist was zu machen!

     Eine solche schicksalhafte Erleuchtung also ist mir neulich gekommen, und der gute Mensch, dem ich sie verdanke und dem ich dafür meinen Dank durch zwohundert und Stücke dreißig Jahre in die Vergangenheit zurückreiche, heißt Michael Erdmann[WS 1].

     Es braucht keiner im Lexikon nachzuschlagen. Michael Erdmann steht nicht darin. Er zeichnete damals nur verantwortlich für einen sehr löblichen Zeit-, Schreib-, Haus- und Bergkalender, „Darinnen enthalten die ordentlichen Monathe / Wochen- und Feyertage / wie der Planeten Lauff / Aspecten / Witterung ( Tag- und Nacht-Länge / der Sonnen Auff und Untergang nebst beygefügter Berg-Nemmer-Quartal-Schluß / auch wenn auff denen Chur- und Fürstlichen Harbischen Bergwerken die Kuxe retadiret und caduciret werden.“

     Wegen dieser Kuxe freilich interessierte mich der Kalender nicht. Ich besitze leider keine. Manches andere erschien mir doch ergötzlicher. Zum Beispiel die „Geschichte von den zween Satyrn oder wilden Menschen, so man 1240 auf dem Harz gefangen“. Auch das mit den Paradiesvögeln auf den Moluckischen Insuln, die keine Füße haben und sich darum nie hinsetzen können, war mir neu. Man lernt nie aus. Es gibt überhaupt vielerlei unerhörtes unter der Sonne, leuchtende Fische um die Gegend Bibiribi im Königreich Brasilien, Schlangen auf Java Mayor, die ganze Nilpferde als Mittagsmahl verdrücken, Hirsche mit versteinerten Schlangen im Bauch und so. Und dann dies Fabelkraut, das auf einem hohen Schneegebürg zwischen Tirol und Salzburg, Meerantzer Berg genannt, zu finden ist: „goldfarb / wie ein fünffeckigter Klee / Das ist pur Gold …“

     Solche unterhaltsamen Geschichten las ich gern. Die mit dem Goldkraut erregte richtig meinen Neid. Was für märchenhaft glückliche Zeiten waren das doch früher!

     Aber auch das alles brachte mich noch nicht auf die fruchtbringende Idee, um derentwillen ich das Andenken Michael Erdmanns segne. Das war was anderes. Es wäre mir beinah überhaupt entgangen, weil es ganz kleingedruckt und ganz zuunterst unter jeder Monatsseite stand. Da stand beispielsweise bei

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Um 1700 Herausgeber des Harz-Berg-Kalenders
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender 1939. Piepersche Buchdruckerei, Clausthal-Zellerfeld 1938, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Harz-Berg-Kalender_1939_060.png&oldid=- (Version vom 11.4.2019)