Seite:Harz-Berg-Kalender 1937 042.png

Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du auf dieser Seite.


nur daraus zu erklären ist, daß die eingewanderten Bergleute mit diesen Einrichtungen bekannt und aufgewachsen waren. Sodann führen viele Oberharzer Gruben die Namen erzgebirgischer Gruben, die nachweislich schon vor ihnen bestanden; diese Grubennamen müssen also von den eingewanderten Bergleuten mitgebracht sein. Aus der Überfülle der Namen seien nur folgende herausgegriffen: Wildermann, Haus Sachsen, Himmlisches Heer, Turmhof, Dorothee, Katharina Neufang, St. Anna, St. Andreas, St. Johannes, Drei Brüder, Lorenz, St. Georg, Gabe Gottes und Fürstenstollen. Auch der „Wilde Mann“, der auf den wunderschönen und vielfältigen Wildemann-Münzen des Oberharzes immer wiederkehrt, ist aus dem Erzgebirge mit in den Harz gewandert.

     Was die Gruben mit Personennamen betrifft, so haben wir über deren Beziehungen zum Erzgebirge ganz ausgezeichnete Beispiele in St. Andreasberg, wo nach dem Jahre 1521 verschiedene Silbergruben die Namen Rappolt, Unruhe, Schweitzer, Neidhardt, Vogtländer und Schütz führten. Solche Grubennamen gab es aber schon vorher in Schneeberg und Joachimsthal, wo sie nach den betreffenden Fundgrübenern genannt waren. Letztere kamen nun als Unternehmer mit zahlreichen Bergleuten nach Andreasberg, um hier aus Hoffnung einzuschlagen. Daß um 1521 Joachimsthaler Bergleute nach Andreasberg ababwanderten, berichtet auch vor allem Matthesius, der damalige bergbauverständige Pfarrer dieser jungen Bergstadt.

     Ein anderes recht treffendes Beispiel gibt uns der Turmrosenhof bei Clausthal, der im Jahre 1600 aus den beiden Gruben Turmhof und Rosenhof zusammengelegt wurde. Den Namen „Turmhof“ brachten die ersten Bergleute aus Freiberg mit, wo die Grube ihren Namen von einem alten Freihofe, auf dessen Grund und Boden sie lag, erhalten hatte. Sie war im 16. Jahrhundert Freibergs reichste Silbergrube, die mit ihren Maßen binnen 50 Jahren eine Million Taler spendete. Im Jahre 1575 mußten hier wegen Mangels an Aufschlagwassern 900 Bergleute entlassen werden, die in ihrem Elende meist zum Wanderstabe griffen und sich wahrscheinlich im Harze eine neue Heimat suchten.

     Endlich ist es die Sprache, welche die beiden Gegenden als verwandt erkennen läßt. Der Oberharz hat seinen eigenen Dialekt, den die Bergleute aus dem Erzgebirge mitbrachten, und der sich, wenn auch etwas verändert, durch Generationen hindurch bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Diese hochdeutsche Mundart, eine Sprachinsel im Gebiete des Niedersächsischen und Plattdeutschen, stimmt in ihren Hauptmerkmalen mit verschiedenen Mundarten des oberen Erzgebirges völlig überein. Sie bildet in erster Linie ein besonderes kennzeichen der Bergbevölkerung, die in diesem Dialekt sogar eine kleine Literatur besitzt und zu allen Zeiten in ihr die Landesfürsten bei ihren Besuchen im Oberharz ansprach bezw. andichtete. Als Sprachprobe diene folgendes Gedicht:

Vor dr Frihschicht.

     Do wärich denn! Glickauf! un – nunter!
Doch halt! wos is dos for ä Glans?
In Wald de Vegle waren munter,
Dn Barg imgitt ä Schtrahelnkrans.
Un nu, wu frädig ells erwacht,
Nu sollich nob in tiefster Nacht!

     Un doch, wos hilfts, es Harz zu queeln
Mit dan wos sich net ännern lett?
War hußmer denn dis Fach terweheln?
Ich sah doch ah, wie annre net,
Gott, Deine Herrlichkät un Macht
In schauervuller, tiffster Nacht.

     Drim willich frädig niederfahren.
Nu Herr, ich iwergah mich Dir
Du wärschtmer Leib un Seel bewahren;
Dei Engel logert sich im mir.
Bist Du bei mir in finstern Schacht,
Wärd morringhall de tiffste Nacht.

     Durch diese Wechselbeziehungen wird in auffallender Weise dargetan, daß der größte Teil der Oberharzer Bevölkerung seinerzeit aus dem Erzgebirge gekommen ist. Goslarsche, also Harzer Bergleute, ziehen um 1180 nach dem Erzgebirge, um dort den Bergbau auszunehmen, und 300 Jahre später wandern ihre Nachkommen wieder nach dem Harz zurück und bevölkern hier die neuentstehenden Bergstädte.

     Indessen können bei der bedeutenden Bevölkerung des Oberharzes, die sich in den sieben Bergstädten ansiedelte, nicht alle aus dem Erzgebirge gekommen sein. Durch die Bergfreiheiten wurden auch aus anderen Bergwerksgegenden, namentlich aus solchen, in denen der Silberbergbau im Rückgange begriffen war, Scharen von Bergleuten angelockt und dauernd herbeigezogen. Aber den weitaus größten Teil hat das Erzgebirge geliefert, was schon dadurch bewiesen wird, daß seine Mundart alle übrigen unterdrückt hat. Das Erzgebirge ist demnach als die eigentliche Heimat der Oberharzer Bevölkerung anzusehen.




...